Modell der geplanten neuen Rathausbrücke

Die Brücke ist auch ein Boutique-Hotel

Die Tage von Manuel Paulis Betonbrücke über die Limmat sind gezählt. Grund für den Abriss ist der Hochwasserschutz, das prämierte Projekt bedeutet aber auch eine ästhetische Neuausrichtung.

Mitten in Zürich gibt es einen Döner Kebab Imbiss. Er liegt an prominentester Lage, auf der Brücke, die vom Rathaus über die Limmat führt und deshalb Rathausbrücke heisst, im Volksmund jedoch Gemüsebrücke genannt wird, weil sie schon im Mittelalter als zentral gelegener Marktplatz diente. Die Gemüsebrücke ist ebenso Platz wie Brücke (eine «höchst ungewöhnliche Mischung», wie die Denkmalpflege meint), und umfasst in der aktuellen Version – 1973 erbaut von Architekt Manuel Pauli und Ingenieur Edy Toscano –  eine Reihe von Imbissboxen, die unter einem gemeinsamen Dach versammelt sind. Auch sonst atmet das Bauwerk den Geist der Siebzigerjahre: massige Pfeilerscheiben aus Beton stemmen sich dem Wasser entgegen und tragen die Platform, dicke Betonwürste stecken dazwischen und bilden die Geländer.

Auslöser des geplanten Ersatzneubaus waren indes weniger die in regelmässigen Abständen aufkommenden ästhetischen Bedenken, sondern der Sanierungsbedarf und ein sich abzeichnender Engpass bei Hochwasserspitzen. Gleichwohl bedeuten Abriss und Neubau auch ein Richtungswechsel auf städtebaulicher und architektonischer Ebene, zumal das prämierte Projekt von Bänziger Partner, 10:8 Architekten und F. Preisig auf Paulis Beton-Robustheit mit golden schimmerndem Kunsthandwerk antwortet. Stadträumlich ist das Projekt dabei ein einleuchtender Sieger, erstens weil die Dimensionen und Anschlüsse stimmen, zweitens, weil es Eingriffe und Möblierungen im grösseren Masstab meidet und so den Raum für verschiedene Nutzungsmöglichkeiten offen hält. 

Visualisierung

Als «unnötig formalistisch und optisch angestrengt» kritisiert die Jury derweil die aufwendigen Geländer und die ornamentale Gestaltung der Brückenstirn. Damit hat sie wohl recht, allerdings stellt sich die Frage, ob es sich bei den genannten gestalterischen Elementen bloss um «unnötige» Details handelt, oder ob sie nicht im Gegenteil für eine bestimmte Vorstellung von städtischem Raum und der Art seiner Benutzung stehen. Der terrazzo-artige Bodenbelag, über den sich ein trapezförmiges Muster von eingelegten Bronzestreifen legt (es handelt sich um Entwässerungsrinnen), spricht für Letzteres: Die Brücke ist ein Platz, aber auch ein Boutique-Hotel. Von einer «hochwertigen Atmosphäre» liest man denn auch wieder im Fazit des Juryberichts, und nein: mit einem Kebab-Imbiss ist das natürlich nicht mehr kompatibel (man denkt dafür an «Foodtrucks»).

Der an Offenen Wettbewerben und Wettbewerbsverfahren interessierten Leserin wollen wir nicht vorenthalten, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Studienauftrag mit Zwischenbesprechung handelte, für welchen acht Teams selektioniert wurden. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Neugestaltung der Rathausbrücke «von hoher bautechnischer und städtebaulicher Qualität» ist. Jedes Team erhielt für seinen Beitrag eine pauschale Entschädigung von 55'000 Franken. 
 

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Kommentare

Andreas Konrad 24.05.2019 19:31
« ( .... ) allerdings stellt sich die Frage, ob es sich bei den genannten gestalterischen Elementen bloss um unnötige Details handelt, oder ob sie nicht im Gegenteil für eine bestimmte Vorstellung von städtischem Raum und der Art seiner Benutzung stehen. » Genau . Also so bauen . Und nicht durch unnötige papierne Diskussionen die ganze gestalterischen Anstrengungen zerreden . Die Hässlichkeit weicht Schönheit . Die Details sind nicht unnötig , sondern essentiell , sie sind der eigentliche Geist des Projektes .
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