Schwarzplan

Abseits der ausgetretenen Pfade

Neben einer Maschinenfirma und einer Villa ein Haus für Demenz erstellen: Schneider Gmür Architekten gewinnen einen ungewöhnlichen Wettbewerb in der Ostschweizer Provinz.

Es ist eine dieser typischen «Heterogenitäten», die man eigentlich nur in der Agglomeration findet, und für eine Agglomeration reicht dabei schon eine Kleinstadt, wie sich an der Ortschaft Rossrüti nordöstlich von Wil beobachten lässt: Östlich und westlich der Konstanzerstrasse versammeln sich hier ein nierenförmiges Gebäude mit Supermarkt, eine kleine Tankstelle, strassenbegleitende moderne Wohnbauten, ein schönes altes Patrizierhaus, das heute ein Altersheim beherbergt, sowie die Betriebsgebäude der Egli Maschinen AG, die sich auf die «Veredelung von Maschinen mit neuester Technologie» spezialisiert hat. 

Die gemeinnützige Aktiengesellschaft Thurvita, die sich im Besitz der Gemeinden Wil, Niederhelfenschwil, Rickenbach und Wilen befindet, betreibt in der Region verschiedene Angebote für das Wohnen im Alter, darunter auch das besagte Altersheim, welches nun mit einem grösseren Haus für Demenz ergänzt werden soll. Die Wettbewerbsteilnehmer mussten allerdings nicht nur das denkmalgeschützte Patrizierhaus in ihre Überlegungen mit einbeziehen, sondern auch die Egli Maschinen AG, die in unmittelbarer Nachbarschaft zum geplanten Demenzzentrum eine Erweiterung ihres Betriebs plant.

Haus für Demenz (links) und bestehendes Altersheim im Patrizierhaus (rechts)

Beispielhaft gelang dies den prämierten Schneider Gmür Architekten aus Winterthur, die einen gestaffelten Baukörper hinter das Patrizierhaus setzen. Es ensteht, wie die Jury beschreibt, ein «dreiecksartiger Raum» zwischen dem Demenzzentrum, den Wohnbauten auf der andern Strassenseite und den Gebäuden der Egli Maschinen AG, ein Raum, dem es sogar gelingt, den Supermarkt-Rundling in einen baulichen Zusammenhang einzubeziehen. Der dreiecksartige Raum ist ein schön gestalteter Garten mit Einfriedung und Pergola, in dem das alte Patrizierhaus seinen selbstverständlichen Platz findet (Landschaftsarchitektur: Pauli Stricker, St. Gallen). Ein Tor öffnet sich zum Landschaftsraum im Südwesten, wo ein Wiesenweg mit Pavillon den betreuten Aufenthalt aus­serhalb der weglaufgesicherten Räume ermöglicht. Das Preisgericht zeigte sich «sehr angetan» von diesem Vorschlag, der sich vom «sattsam bekannten Muster» des Demenzgartens mit Endlosweg löse und stattdessen Elemente des Wohngartens und des Stadtparkes in sich vereine.

In gleicher Weise lobt die Jury die vorgeschlagene Bebauung, die keine spitalartige Struktur sein will, sondern sich in Volumetrie und Ausdruck eindeutig zur Wohnarchitektur zählt. Diese Absicht spiegelt sich in der dezentralen Organisation, welche die Wohngruppen über je eigene Eingängen und Treppenhäuser erschliesst. Von einer aufmerksamen Auseinandersetzung zeugt schliesslich auch der Grundriss der Wohngruppen selbst: Der zentrale Gemeinschaftsraum mit Koch-, Ess- und Aufenthaltsbereichen erstreckt sich über die ganze Ge­baudetiefe und bietet so zweiseitig Licht und Aussicht.  Es schliessen sich links und rechts zwei Vierergruppen mit Einzelzimrnern an, die über einen gemeinsamen Vorraum verbunden sind. Vom einzelnen Zimmer bis in den gemeinsamen Gartenhof ergeben sich so verschiedene klar gefasste Stufen des Zusammenlebens.

Die Anerkennung der Jury erhielten nicht nur die Architekten und Landschaftsarchitekten, sondern auch die Auftraggeber: Ihre Sorgfalt in der Umschreibung ihrer zukunftsgerichteten Absichten habe zu Pro­jekten angeregt, welche ausgetretene Pfade verlassen. Dies treffe auf die Arbeit von Schneider Gmür im besonderen Masse zu: «Es überzeugt in Konzept, Umsetzung zu Raum und Form, gleichermassen wie als Beitrag zum Ortsge­füge von Rossrüti.»

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