Dunkel ist das Waldesinnere, hell die Lichtung: Das ‹Rothaus› in Stuttgart mit Stühlen aus Glarus.
Im Auftrag von Horgenglarus

Stabellenstuhl: Tradition als Herausforderung

In manchem widerspricht der Stabellenstuhl im Restaurant Rothaus in Stuttgart der Tradition von Horgenglarus. Doch das Know-how der Firma war bei der Entwicklung des Stuhls essenziell.

«Ein Bier wie wir Schwarzwälder selbst. Ehrlich, kernig und charakterstark», so preist die Brauerei Rothaus ihren Klassiker, das Tannenzäpfle-Bier an. Die typische Schwarzwaldatmosphäre – mystisch und rau, aber auch hell und ruhig – sollte auch das Restaurant verströmen, das die Staatsbrauerei Rothaus im Einkaufszentrum Gerber in der Stuttgarter Innenstadt plante. Das Architekturbüro Blocher Partners aus Stuttgart, in der Schweiz durch den Umbau des Warenhauses Jelmoli in Zürich und verschiedene Arbeiten für die Firma Bucherer bekannt, bediente sich denn auch beim klassischen Schwarzwälder Repertoire und setzte dieses zeitgemäss um. So steht mitten im Raum ein dunkelgrüner Kachelofen, und als Blickfang hängt eine Schwarzwälder Kuckucksuhr an der Wand. Der Gastraum insgesamt ist jedoch in modernen Formen mit Fichtenholz ausgekleidet und geschmückt mit der abstrakten Form von Tannenzapfen. Die dunklen Bereiche symbolisieren das Herz des Waldes, die hellen stehen für die Lichtung.

Als Sitzmöbel stellte sich Jürgen Gaiser, der verantwortliche Partner für den Bereich Produktdesign von Blocher Partners, einen Stabellenstuhl vor – der Inbegriff einer gemütlichen Gaststube. Doch wie lässt sich der traditionelle Stuhl ins 21. Jahrhundert transformieren, sodass er nach wie vor seine ursprünglichen Werte vertritt, ohne dabei heimattümelnd zu wirken? Dafür entwickelten die Designer bei Blocher Partners einen Stuhl mit den typischen Stabellenmerkmalen: eine massive Sitzfläche, darin eingearbeitet die Beine und die Lehne. Als der Entwurf stand, suchten sie einen Partner, um aus dem Entwurf ein fertiges Produkt zu machen. Die Wahl fiel auf Horgenglarus.

Tradition und Innovation: der Stabellenstuhl mit Horgenglarus-Geist.

Horgenglarus habe sofort verstanden, worum es bei dem Entwurf geht und das Potential erkannt, blicken die Designer zurück. Der Stuhl, der schliesslich innerhalb weniger Monate aus der Zusammenarbeit von Horgenglarus mit den Designern entstand, ist sehr nahe am ursprünglichen Entwurf. Einzig die Rückenlehne war eigentlich als eingespanntes Bauteil geplant. Ergonomische Überlegungen und breitere Einsatzmöglichkeiten führten jedoch zur aufgesetzten Lehne, wie sie für Horgenglarus-Stühle typisch ist.

Muster führen zu schnellen Resultaten
Ein unter Druck und Hitze verformter Rahmen, auf dem die Sitzfläche liegt und an dem die Beine befestigt sind, dies sind die charakteristischen Merkmale eines Horgenglarus-Stuhls. Zwar hatte der Stuhlhersteller schon früher einen Stabellenstuhl mit einer massiven Holzplatte als Sitzfläche, darin eingearbeiteten Beinen und der durchgesteckten Lehne produziert. Doch wie lassen sich diese Konstruktionsprinzipien zeitgemäss umsetzen? Das fragten sich die Konstrukteure von Horgenglarus, insbesondere wenn das Holz in zwei Richtungen schwindet oder quillt.

Um solche Fragen zu klären, stellte man schnell Modelle her, die dank der grossen Erfahrung des Musterbauers zügig zu Resultaten führten. Es gab Bemusterungstermine, die zu Entwurfs-Workshops ausarteten. Manchmal wurden dabei die Konturen einzelner Bauteile im Millimeterbereich diskutiert, abgeklebt, verglichen und gegeneinander abgewogen, um das aus gestalterischer Sicht Beste zu erreichen.

Ein besonderer Knackpunkt waren die Hinterbeine mit der Rückenlehne. Dass diese aus einem durchgehenden geschwungenen Stück bestehen, ist für die DNA der Horgenglarus-Stühle zwar typisch. Beim Stabellenstuhl konnte man sie jedoch nicht an die Zarge schrauben, sondern musste sie durch die Sitzfläche stossen. Mit Blick auf das Quellen und Schwinden des Holzes hätte dies auf der Sitzfläche unschöne und verschmutzungsanfällige Fugen entstehen lassen. Der Trick: Die Beine gehen zwar tatsächlich in einem Schwung vom Boden bis zur Rückenlehne durch, doch oberhalb der Sitzfläche sind sie um wenige Millimeter stärker. Eine kluge Massnahme, die nur sieht, wer ganz genau hinschaut!

Typisch für einen Stabellenstuhl sind die durchgesteckten Beine.

Welches Material passt besser zum Tannenzäpfle-Bier als Weisstanne? Tatsächlich suchten die Planer des Stuttgarter Restaurants genau diese Wirkung für ihre Sitzmöbel. Bloss lassen sich aus Nadelholz keine Stühle herstellen. So fiel die Wahl schliesslich auf Esche, die der Weisstanne am nächsten kommt. Rund 120 Exemplare stellte Horgenglarus schliesslich her; ein Teil davon aus ‹weisser› Esche, ein anderer Teil schwarz lackiert – wie so mancher andere Stuhl aus Glarus. In Kontrast zum Interieur aus hellem und dunklem Holz stehen auch einige alte Tische und Stühle im ‹Rothaus im Gerber›. Sie schlagen eine Brücke zwischen Gegenwart und Tradition.

Einige alte Möbel leisten den neuen Gesellschaft, Tannenzapfen symbolisieren das ‹Tannenzäpfle-Bier›.


Die Rubrik Werkplatz ist eine Kooperation von Hochparterre mit ausgesuchten Firmen und Institutionen des Werkplatzes Schweiz.

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