Gebäude – die Effizienz der Kiste

Verzichte auf Untergeschosse, führe die Kräfte nicht spazieren und baue kompakt: vier Klimatipps rund um Tiefbau, Tragstruktur, Kompaktheit und Grundriss.

Fotos: Andrin Winteler

Verzichte auf Untergeschosse, führe die Kräfte nicht spazieren und baue kompakt: vier Klimatipps rund um Tiefbau, Tragstruktur, Kompaktheit und Grundriss.

 

6 Tiefbau: Ein Fundament braucht jedes Haus

Die Devise ‹so wenig wie möglich› gilt im Tiefbau doppelt und dreifach. Aushub und Fundament machen rund zehn Prozent der Treibhausgase der Erstellung aus, bei komplizierten Baugruben auch mehr. Versuche, den Aushub darum vor Ort zu lagern oder noch besser weiterzuverwenden, etwa bei den Aussenanlagen oder für Beton- oder Lehmkonstruktionen. Und verändere das Terrain so wenig wie möglich. Im Untergrund braucht es dicke Betonmauern und robuste Aufbauten, das schenkt in der Klimabilanz negativ ein. Zudem verschlechtern unbeheizte Kellergeschosse die Treibhausgaswerte des Gebäudes – jedenfalls rechnerisch –, weil diese auf die beheizte Nutzfläche bezogen werden. Ein Fundament braucht jedes Gebäude. Ein Geschoss daraus zu machen, ist sinnvoll, wenn Kellerräume nötig sind. Tiefer als das und ausserhalb des Fussabdrucks eines Hauses aber gilt: unten ohne.
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7 Tragstruktur: So schlank wie möglich

Egal, wie man rechnet: Die Tragstruktur ist mit rund einem Drittel der mit Abstand grösste Posten in der Treibhausgasbilanz eines Gebäudes und damit die wichtigste Stütze einer klimaverträglichen Konstruktion. Du sollst die Kräfte nicht spazieren führen, lernen Architekten im ersten Statiksemester. Die Schwerkraft fordert einen direkten Lastabtrag. Also keine aufwendigen Auskragungen, komplizierten Abfangungen, riesigen Spannweiten. Sie brauchen mehr und stärker belastbares Baumaterial, beides erhöht die graue Energie markant.

Ein optimiertes Tragwerk spart bis zu 25 Prozent der Eigenlasten und also der Ressourcen ein. Würden die Bauingenieure weniger überdimensionieren, wäre sogar eine Halbierung möglich, nimmt die University of Cambridge an. Ins Gewicht fallen vor allem Decken und Fundament. Bei Stahlbetonbauten machen die Decken die Hälfte der Betonmasse aus. Rippen, Stabtragwerke oder vorgespannte Bauteile sparen Material und also CO2. Ein effizientes Tragwerk wirkt sich auf allen Ebenen aus: Je optimierter die Spannweiten, desto dünner die Decken, desto schlanker die Stützen, desto einfacher das Fundament, desto kleiner der ökologische Fussabdruck. Und weil die Tragstruktur steht, bis das Haus abgerissen wird, sollten Architektinnen sie von anderen, kurzlebigeren Bauteilen trennen (Recycling).
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8 Kompaktheit: Die Effizienz der Kiste

Um eine kompakte Form kommt kein klimabewusster Architekt herum. Die Volumenlehre ist seine Gehilfin. Je weniger Fassade pro Nutzfläche desto weniger Kilowattstunden verbraucht das Gebäude im Betrieb. Da in der Fassade viele CO2-intensive Materialien stecken, sinken damit auch die grauen Treibhausgase. Beachte: Zur Kompaktheit gehören in dieser Betrachtung nicht nur der Dämmperimeter, sondern alle Aussenbauteile eines Gebäudes – insbesondere im Tiefbau. Der Hebel ist enorm, wie eine Studie der Hochschule Luzern verdeutlicht, die verschiedene Varianten mit einem würfelförmigen Gebäude verglich. Ein Geschoss statt deren vier erhöht die Treibhausgase insgesamt um 31 Prozent, zwei abgetreppte Stockwerke um 17 Prozent, ein Hof in der Mitte um 6 Prozent. Die Effizienz der Kiste ist unerbittlich: Selbst sonnenfangende Schrägfassaden, beschattende Balkone oder kühlendes Eingraben wirken sich negativ auf die Bilanz aus.

Kompakt heisst zudem gross: je mehr Volumen, desto weniger Oberfläche. Nur schon die geometrische Lehre spricht also gegen das Hüsli. ‹Bigger is better› gilt selbstverständlich nur so lange, bis der Städtebau, die Schwerkraft (Hochhaus) oder das Tageslicht dem Klumpen Grenzen setzen. Je tiefer ein Grundriss, desto schwieriger ist es, die dunkle Mitte effizient zu nutzen (Raumprogramm).
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9 Grundriss: Jeder Quadratmeter zählt

Ein klimaverträglicher Grundriss ist effizient, sprich: viel Hauptnutzfläche pro Geschoss. Vergeude wenige Quadratmeter für die Erschliessung, die im besten Fall unbeheizt ist. Platziere die Nasszellen übereinander, damit die Schächte einfach zugänglich und die Leitungen kurz bleiben (Haustechnik). Ordne Nutzungen, die kein Tageslicht brauchen, in der Mitte an. Das gilt vor allem für Bürobauten, bei denen der Strom für die Beleuchtung mehr einschenkt als bei Wohnhäusern.

Entscheidend sind nicht die Treibhausgasemissionen pro Quadratmeter, sondern pro Person (Raumprogramm). Reduziere deshalb die privaten Räume zugunsten der öffentlichen. Der Grundriss sollte eine hohe Belegung begünstigen, was gegen offene Anordnungen und für klassische Zimmergrössen spricht. Und er sollte flexibel sein, damit er auch andere Nutzungen zulässt, was den Lebenszyklus des ganzen Gebäudes erhöht. Das Gebot der Effizienz gilt schliesslich auch für die räumliche Qualität: Entwerfe so viel Abwechslung, Grosszügigkeit und Raumwirkung pro Quadratmeter wie möglich.
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Wie gross der Effekt ist, zeigen die null bis fünf Punkte.

33 Klimatipps für Architekten:
Editorial – postfossile Pflicht
Auftrag – hinterfrage den Bauherrn
Gebäude – die Effizienz der Kiste
Konstruktion – leicht und beständig
Material – wenig verbauen, wieder verwerten
Energie – die Kraft der Natur
Umsetzung – Material kostet wenig, Arbeit viel

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