Gekonnte Projekte für das Zürcher Hochschulgebiet
Dass Herzog & de Meuron und Christ & Gantenbein im Zürcher Hochschulgebiet bauen würden, wusste man seit November. Nun sind die Projekte bekannt und überraschen positiv. Wir haben erste Blicke darauf geworfen.
Herzog & de Meuron werden für die Universität Zürich ein neues Lehrgebäude bauen, das «Forum UZH». Sie gewannen den anonymen Projektwettbewerb unter elf Teams, die zuvor aus 80 Bewerbungen ausgewählt worden waren. Die grosse Überraschung des Projekts ist der Gloriaplatz. Dem Projekt gelingt das Kunststück, auf engem Raum mehr Platz zu schaffen als heute da ist. Wie die meisten Bauten entlang der Rämistrasse weicht das Forum von der Hauptachse zurück, jedoch weiter und macht dadurch Platz für einen Platz. Oder besser gesagt, eine Terrasse ähnlich wie die Polyterrasse. Denn der Platz ist genau genommen ein Dach: Entlang der abfallenden Rämistrasse entsteht darunter ein Geschoss, indem öffentlich zugängliche Läden und Sportanlagen untergebracht sind. An der Oberfläche entsteht ein Gewinn an öffentlichem Raum. Doch es ist klar: Das gelingt nur um den Preis riesiger unterirdischer Flächen. An der Oberfläche ist die bauliche Verdichtung gesellschaftlich nur begrenzt akzeptiert – die Zürcher Lösung lautet darum: Unter den Boden damit. So weist das Gebäude bis zu vier riesige Untergeschosse aus, welche die Parzelle weitgehend belegen. Der enorme Aushub dürfte ein Grund sein, weshalb der Bau mit hohen 500 bis 600 Millionen Franken Investitionskosten veranschlagt ist.
Verbunden mit diesem Dachplatz ist das «Forum», das Herz des Gebäudes. Es beginnt als Baumgarten im Aussenraum und geht über in einen von Treppen und Gängen umgebenen Innenhof – er ist die Wiederkehr des Lichthofs im Uni-Hauptgebäude von Karl Moser, der bis heute der wichtigste Ort der grössten Schweizer Universität ist. Hinter dem Gloriaplatz ragt das Gebäude trapezförmig auf. Die Fassade zur Rämistrasse ist mit über 100 Metern Länge gewaltig. Das Erdgeschoss umgibt eine stark gewellte, verspielte Glasfassade, die durchlässig und zugänglich wirkt, was wichtig werden wird für die Atmosphäre im Quartier. Darüber umgibt den ganzen Bau dieselbe Fassade: Gläser und davor eine leichtfüssige, je nach Geschoss differenzierte, elegante Plastik aus weissen, geometrisch wohlgeformten Brise-soleils. Man assoziiert mediterrane Architektur oder Oscar Niemeyer, Brasilien, gerade im Verbund mit der grossen Gloriaterrasse. Jedenfalls wirkt dieser Bau wohltuend unschweizerisch, als ob er aus einem anderen Land stammte.
Ein paar Dutzend Meter weiter oben werden Christ & Gantenbein zwei grosse Neubauten für das Universitätsspital erstellen. Sie überzeugten im Studienauftrag unter sieben Generalplanerteams. Die beiden Neubauten bilden den Auftakt zur Gesamterneuerung des Unispitals, weitere Abbrüche und Neubauten werden folgen. Im Unterschied zum Forum UZH galten hier vermutlich noch viel mehr Randbedingungen. Christ & Gantenbein begegnen ihnen souverän, erfüllen die meisten und bleiben dennoch unter der laut Gestaltungsplan maximalen Gebäudemasse.
Noch sind Rekurse hängig und drei von sechs Gestaltungsplänen sistiert, doch beide Projekte sollen bis 2028 fertig sein. Ihre erfreuliche Architektur wird helfen, dem Ausbau des Hochschulgebiets den Weg zu ebnen. Zuvor hatten überdies beide Bauherrschaften ihre Flächen noch einmal reduziert, teils stark, sodass die Volumen nun unter den Rahmen der Gestaltungspläne bleiben. Von Städtebau zu sprechen fällt nach wie vor schwer. Es ist eher ein Einpassen des Nötigen ins Vorhandene – bei den Gebäuden – und ein Anpassen des Vorhandenen an das Nötige - beim öffentlichen Raum. Unter diesen Bedingungen aber sind zwei gekonnte Projekte entstanden.