Die Basler kommen: Emanuel Christ, Jacques Herzog, Pierre de Meuron und Anna Flückiger vor ihren Modellen.

Gekonnte Projekte für das Zürcher Hochschulgebiet

Dass Herzog & de Meuron und Christ & Gantenbein im Zürcher Hochschulgebiet bauen würden, wusste man seit November. Nun sind die Projekte bekannt und überraschen positiv. Wir haben erste Blicke darauf geworfen.

Herzog & de Meuron werden für die Universität Zürich ein neues Lehrgebäude bauen, das «Forum UZH». Sie gewannen den anonymen Projektwettbewerb unter elf Teams, die zuvor aus 80 Bewerbungen ausgewählt worden waren. Die grosse Überraschung des Projekts ist der Gloriaplatz. Dem Projekt gelingt das Kunststück, auf engem Raum mehr Platz zu schaffen als heute da ist. Wie die meisten Bauten entlang der Rämistrasse weicht das Forum von der Hauptachse zurück, jedoch weiter und macht dadurch Platz für einen Platz. Oder besser gesagt, eine Terrasse ähnlich wie die Polyterrasse. Denn der Platz ist genau genommen ein Dach: Entlang der abfallenden Rämistrasse entsteht darunter ein Geschoss, indem öffentlich zugängliche Läden und Sportanlagen untergebracht sind. An der Oberfläche entsteht ein Gewinn an öffentlichem Raum. Doch es ist klar: Das gelingt nur um den Preis riesiger unterirdischer Flächen. An der Oberfläche ist die bauliche Verdichtung gesellschaftlich nur begrenzt akzeptiert – die Zürcher Lösung lautet darum: Unter den Boden damit. So weist das Gebäude bis zu vier riesige Untergeschosse aus, welche die Parzelle weitgehend belegen. Der enorme Aushub dürfte ein Grund sein, weshalb der Bau mit hohen 500 bis 600 Millionen Franken Investitionskosten veranschlagt ist.

Forum UZH, Gloriaterrasse © Herzog & de Meuron

Forum UZH, Rämistrasse © Herzog & de Meuron

Verbunden mit diesem Dachplatz ist das «Forum», das Herz des Gebäudes. Es beginnt als Baumgarten im Aussenraum und geht über in einen von Treppen und Gängen umgebenen Innenhof – er ist die Wiederkehr des Lichthofs im Uni-Hauptgebäude von Karl Moser, der bis heute der wichtigste Ort der grössten Schweizer Universität ist. Hinter dem Gloriaplatz ragt das Gebäude trapezförmig auf. Die Fassade zur Rämistrasse ist mit über 100 Metern Länge gewaltig. Das Erdgeschoss umgibt eine stark gewellte, verspielte Glasfassade, die durchlässig und zugänglich wirkt, was wichtig werden wird für die Atmosphäre im Quartier. Darüber umgibt den ganzen Bau dieselbe Fassade: Gläser und davor eine leichtfüssige, je nach Geschoss differenzierte, elegante Plastik aus weissen, geometrisch wohlgeformten Brise-soleils. Man assoziiert mediterrane Architektur oder Oscar Niemeyer, Brasilien, gerade im Verbund mit der grossen Gloriaterrasse. Jedenfalls wirkt dieser Bau wohltuend unschweizerisch, als ob er aus einem anderen Land stammte.

Forum UZH, Forum © Herzog & de Meuron

Forum UZH © Herzog & de Meuron

Ein paar Dutzend Meter weiter oben werden Christ & Gantenbein zwei grosse Neubauten für das Universitätsspital erstellen. Sie überzeugten im Studienauftrag unter sieben Generalplanerteams. Die beiden Neubauten bilden den Auftakt zur Gesamterneuerung des Unispitals, weitere Abbrüche und Neubauten werden folgen. Im Unterschied zum Forum UZH galten hier vermutlich noch viel mehr Randbedingungen. Christ & Gantenbein begegnen ihnen souverän, erfüllen die meisten und bleiben dennoch unter der laut Gestaltungsplan maximalen Gebäudemasse.

USZ Kernareal, Aussenansicht © Ponnie Images
Was die Gebäudeform betrifft, zählt das Projekt zu den langweiligeren, es bietet simple Kuben mit Lichthöfen – doch die Aufgliederung auf mehrere Bauten ermöglicht eine vielseitige Durchwegung. Die Fassade ist luftig gegliedert und wirkt getragen-repräsentativ, fast palazzohaft – keine glitschige, abwaschbare Spitalhaut. Dennoch, ein architektonisches Wagnis bietet das Projekt nicht. Da wäre das unterlegene von Staufer Hasler / Meili, Peter weiter gegangen, es ist markanter, eigenständiger. Doch am Siegerprojekt überzeugen eben vor allem auch die Freiräume und Durchwegungen, auf dieser Ebene bietet es ausserordentlich viel. Zudem hätten Staufer Hasler / Meili, Peter das zulässige Volumen überschritten – eine Mutprobe mit der Anwohnerschaft, welche die Bauherrschaft bestimmt nicht eingehen wollte.

USZ Kernareal, Durchwegung © Ponnie Images

USZ Kernareal, Eingangshof © Ponnie Images

Noch sind Rekurse hängig und drei von sechs Gestaltungsplänen sistiert, doch beide Projekte sollen bis 2028 fertig sein. Ihre erfreuliche Architektur wird helfen, dem Ausbau des Hochschulgebiets den Weg zu ebnen. Zuvor hatten überdies beide Bauherrschaften ihre Flächen noch einmal reduziert, teils stark, sodass die Volumen nun unter den Rahmen der Gestaltungspläne bleiben. Von Städtebau zu sprechen fällt nach wie vor schwer. Es ist eher ein Einpassen des Nötigen ins Vorhandene – bei den Gebäuden – und ein Anpassen des Vorhandenen an das Nötige - beim öffentlichen Raum. Unter diesen Bedingungen aber sind zwei gekonnte Projekte entstanden.

Vogelperspektive Hochschulgebiet

Übersichtsplan Weissbuch © ARGE Studio Vulkan und KCAP Architects & Planners mit IBV Hüsler AG, Fahrländer Partner AG und Christian Salewski & Simon Kretz Architekten GmbH

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Kommentare

Andreas Konrad 13.01.2019 22:58
@ Reinhard : Die innere Erschliessung und die Organisation - eine Spitaltoilette muss wohl mehr technische Vorgaben einhalten als eine Mondrakete , das wohl zu Recht - wurde bravourös gelöst , geht es nach all den Involvierten , die mitentscheiden durften . Das ist dem Können der Architekten geschuldet und eigentlich - selbstverständlich . Aber neben der gut gemachten Pflicht gibt es das , was den Architekten vom Baumeister unterscheidet . Die Kür . Das Gewand . Die Erscheinung . Das , was im Allgemeinen Architektur ausmacht . Und wo man sich hier ein Spital in einem italienischen , eleganten Sakko gewünscht hätte , sieht man eines , das ( noch ) im Traineranzug daherkommt . Hoffentlich verpasst man dem Riesen noch ein stadtverträgliches Etwas .
Niklaus Reinhard 13.01.2019 14:16
Ach, Herr Konrad, endlich wurde wieder mal positiv von den Möglichkeiten der Architektur und der Fähigkeit der Architekten berichtet - nämlich dass sie mehr kann als Objektkünstlertum und glatte Details lösen - sie kann vor allem räumlichen und städtebaulichen Mehrwert schaffen. Jawohl - darüber sollten wir uns freuen und weiter daran arbeiten - und C&G werden dann bestimmt noch ein paar nette Details, über die dann die Szene tiefschürfend philosophieren kann, kreieren.
Andreas Konrad 12.01.2019 21:18
HdM machen alles falsch und damit alles richtig : Sie foutieren sich um die Wucht des Gestaltungsplans mit seinen Agglo -Stufung , setzen einen feinen Körper ( « Niemeyer » ) klar der Strassenkante entlang und erfinden einen Platz . Die ungewöhnlichen Flügelis an der Fassade gehören schon beim zweiten Blick zu Zürich . Das zweite Team ( C & G ) machen alles richtig und damit alles falsch : Polierte Routine , die so auch in einem Gewerbegebiet in Spreitenbach stehen könnte . Die wenigen Details sind zu vulgär und grob . Zuwenig für diesen wichtigen Ort . Fazit : Herzog de Meuron können bauen , Christ & Gantenbein nochmals über die Bücher .
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