Das Velo wird wichtiger im Stadtverkehr
Der Verkehrspolitiker Peter Anderegg hat auf Hochparterre.ch reklamiert, der ÖV und die Fussgänger seien wichtiger als das Velo. «Falsch» antwortet Dave Durner, ehemaliger Geschäftsführer Pro Velo.
Das Velo sei für den Stadtverkehr irrelevant, schrieb Peter Anderegg im Juni im Hochparterre und meinte zum Veloboom ebenso prägnant wie falsch: «Faktenschwacher Velo-Hype». Deshalb brauche es keine Veloförderung und auch keine teure Veloinfrastruktur, folgert Anderegg. Er folgert falsch, denn nicht nur seine Analyse sondern auch die Schlussfolgerung weisen deutliche Mängel auf.
Falsch liegt er, wenn er behauptet, das Velo leiste keinen wichtigen Beitrag zum Stadtverkehr. Gemäss Mikrozensus lag der Anteil des Velos in Zürich an den innerstädtischen Wegen im Jahr 2015 bei 12 Prozent und hat sich damit innert fünf Jahren verdoppelt. Bei Wegen über die Stadtgrenze hinaus betrug der Veloanteil immer noch acht Prozent, was ebenfalls eine Verdoppelung gegenüber 2010 entspricht. Die Zunahme beim Veloverkehr ist übrigens bis heute ungebrochen, wie man den Zahlen von den Zürcher Velozählstellen unschwer entnehmen kann. Heute dürfte mindestens jeder achte in Zürich zurückgelegte Weg eine Velofahrt sein, Tendenz steigend. Irrelevant? Kann man sagen. Man könnte auch festhalten: Damit leistet der Veloverkehr bereits mehr als halb so viel wie der motorisierte Autoverkehr.
Veloboom geht auf Kosten des MIV
Schon wieder falsch liegt Anderegg mit seiner Bemerkung, der Veloboom erfolge auf Kosten von Fussverkehr und ÖV: Abgenommen hat insbesondere der motorisierte Verkehr und ein kleiner Teil der Fusswege wurde durch Trottinettfahrten etc. ersetzt. Der Vergleich mit Kopenhagen und Amsterdam täuscht ebenfalls: Es gibt dort tatsächlich viel Autoverkehr, aber man sollte nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, denn der ÖV ist in beiden Städten nicht mit Zürich vergleichbar. Zürich kann man jedoch durchaus mit Basel vergleichen. Der Veloanteil beträgt dort 17 Prozent, Autos hat es kaum mehr als in Zürich, dafür liegt der ÖV-Anteil etwas tiefer. Schlimm ist das nicht, dafür billig. Denn, und auch das blendet Anderegg komplett aus: Der ÖV ist in der Schweiz im Gegensatz zum Velo hochgradig subventioniert. Konkret: Der Billetverkauf trägt gerade mal zwei Drittel der tatsächlichen Kosten im Zürcher Verkehrsverbund ZVV. Das restliche Drittel schiesst die öffentliche Hand als Subvention ein.
Auch die Investitionskosten für den Veloverkehr sind läppisch im Vergleich zum ÖV oder dem motorisierten Strassenverkehr: Die 13,4 km lange Limmattalbahn kostet 755 Mio Franken. Für dasselbe Geld liesse sich das komplette vom Kanton geplante Veloroutennetz fertigstellen. Damit soll nichts gegen die Limmattalbahn gesagt sein, die braucht es dringend. Aber man sollte als Verfechter des ÖV nicht über «teure Velowege» klagen. Dieser Vorwurf fällt dem ÖV quasi auf die eigenen Räder. Denn billiger als Veloinfrastruktur ist nur noch der Fussverkehr.
Die Mär vom platzsparenden ÖV
Zum Schluss noch ein weiteres Argument, das im erwähnten Artikel vorgebracht wird. Ein Argument, welches heutzutage in Städten das wohl wichtigste ist: Der Platz. Das Velo verbrauche viel mehr Platz als der ÖV, schreibt Anderegg. Und stellt richtig fest, dass es noch an Datenmaterial zum Flächenbedarf der unterschiedlichen Verkehrsträger fehle. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, dem Veloverkehr eine magere Verkehrsleistung auf grosser Fläche vorzuhalten. Dabei steht der öffentliche Verkehr nicht wirklich gut da: Wenn Bus und Tram in Städten eine ernsthafte Konkurrenz zum Auto sein sollen, dann braucht es separate ÖV-Spuren. Und die brauchen sehr wohl viel Platz. Denn eine ÖV-Spur wird nur alle paar Minuten von einem Tram oder einem Bus befahren. Zwischen diesen Fahrzeugen herrscht gähnende Leere, also unbenutzter, wertvoller Platz. Und diesen Platz zwischen zwei Trams oder zwei Bussen könnte man nutzen. Zum Beispiel, indem man ihn mit Velos auffüllt.
Zusammengefasst
Das Velo kann durchaus einen substanziellen Beitrag zum Verkehr in einer Stadt leisten und tut das bereits. Und das, ohne dem ÖV «das Wasser abzugraben». Im Idealfall ergänzen sich die beiden Verkehrsmittel – zusammen mit dem Fussverkehr – mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen sogar zu einem stimmigen Ganzen.
* Dave Durner ist ehemaliger Geschäftsführer Pro Velo Kanton Zürich.