Rebecca Kunz' Arbeit im Kunsthaus Langenthal: Mit subtilen Eingriffen lässt sie das Gewöhnliche irritierend ungewöhnlich erscheinen. Fotos: Martina Flury Witschi

Unbehaust

Eine Gruppenausstellung im Kunsthaus Langenthal behandelt die Trennung zwischen Innen- und Aussenraum, Privatem und Öffentlichem sowie analoger und digitaler Welt.

Mit der Metapher des durchlöcherten Hauses beschrieb Vilém Flusser in den Neunzigerjahren die Auflösung zwischen Innen und Aussen. Diese Aussage ist aktueller denn je: Heute lösen sich die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem mehr und mehr auf, digitale Räume ersetzen physische Erfahrungen, Fakten und Gewissheiten sind brüchig geworden. Ausgehend von dieser These kuratiert Eva-Maria Knüsel, ihre erste Ausstellung im Kunsthaus Langenthal.
 

Anja Brauns Rauminstallation «Curiosity’s unexpected discovery».

In der Gruppenausstellung «Unbehaust» versammelt sie sechs junge künstlerische Positionen, die sich in ihrem Schaffen auf obiges Themenfeld beziehen. Der erste Raum erinnert an ein spärlich möbliertes Wartezimmer. Wer auf dem türkisfarbenen Stuhl Platz nimmt, kann in Lynne Kouassis Publikation «Healing 2018», blättern. Darin versammelt sie eine Fülle an Flyern mit Gesundheitsratschlägen und Behandlungen ausserhalb der Schulmedizin. Diese Heilsversprechen stehen symptomatisch für das Unbehaustsein im eigenen Körper.
 

Leo Hofmann betrachtet während seiner Performance die Installation von Daniel V. Keller.

Leo Hofmann zog in seiner Performance «Home is my Beach, my Castle, my Heart» zwei Wochen in die Ausstellungsräume ein. Indem er dort wohnte, liess er Privates und Öffentliches, Kunst und Institution aufeinandertreffen und entwickelte eine eigene Vermittlungsstrategie und Leseweise der Ausstellung. Rebecca Kunz wiederum lässt mit subtilen baulichen und künstlerischen Eingriffen das Gewöhnliche irritierend ungewöhnlich erscheinen. Es gibt eine Videoarbeit von Lynne Kouassi und Daniel Dressel, eine Installation von Daniel V. Keller und Anja Brauns Rauminstallation «Curiosity’s unexpected discovery» bei der solides Material auf flüchtige Farbe Licht und Geräusche trifft. Pointiert zeigen so die sechs Künstlerinnen und Künstler, wie das heutige, unstete Treiben sich auf unser Selbstverständnis, das gegenseitige Zusammenleben und die Weltwahrnehmung auswirkt.
 

Der erste Raum der Ausstellung «a curbing wall of debris\landfilling» von Pedro Wirz.

Lohnenswert ist zudem auch die Ausstellung «a curbing wall of debris\landfilling» eine Etage höher. Der brasilianisch-schweizerische Künstler Pedro Wirz präsentiert dort seine bisher grösste Einzelausstellung: Menschengemachtes trifft auf vermeintlich Naturbelassenes. Aus Materialien wie Erde, Bienenwachs und Textilien schafft er Figuren, die an Eier, Tieren und ihre Behausungen erinnern. So regt wir Wirz die Besucherinnen und Besucher an, sich mit dem Verhältnis des Menschen zu nicht-menschlichen Organismen und Ökosystemen auseinanderzusetzen. Diese Ausstellung hat Raffael Dörig kuratiert, der Leiter des Kunsthauses Langenthal.

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