1990 schrieb Ueli Fischer im Hochparterre den Artikel «Trump, der Mythos». Alles gesagt? Fotos: Yvonne Baumann

Donald Trump, der Mythos

«Vor genau 30 Jahren war alles schon da und gesagt – im Hochparterre!» So schrieb uns ein Leser mit eiersuchenden Grüssen und regte einen Wiederabdruck an. Here it is.

Die Vögel zwitschern. Die Zeit steht still. Warum nicht in alten Ausgaben von Hochparterre schmökern statt noch mehr sozialpsychologische Analysen, makroökonomische Szenarien und futorologische Optimismen zu lesen? Das dachte sich zumindest unser Leser Peter und wies uns mit Eiersuchergrüssen auf einen nunmehr 30-jährigen Text hin. Der Titel: Donald Trump, der Mythos. Die Bilder: Marmorböden und das grosse T. Der Inhalt: Familiengeschichte und Business an der Legalitätsgrenze, Allüren und Klischees, Selbstvermarktung und Medienerfolg. Die New York Times sah in Trump damals den «Exponenten einer Zeit, in der Selbstsucht über Gemeinwohl triumphiert». Und unser Autor Ueli Fischer schrieb, «viele sehen in ihm einen zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten». Beste Lektürewünsche:

 

Obwohl erst 43jährig, ist der New Yorker Geschäftsmann Donald Trump wohl der bekannteste
Bauunternehmer der Welt. Sein Imperium wächst unaufhaltsam.

Donald Trump, Enkel von schwedischen Einwanderern, ist im New Yorker Stadtteil Queens aufgewachsen. Sein Vater hat es - eine Musterkarriere — vom Laufburschen zum Bauunternehmer und Immobilienhändler gebracht, der Tausende von Reihenhäusern für die aufstrebende Arbeiterklasse aufstellte. Ihm verdankt Donald das fachliche Wissen um den Bauablauf, die Geschäftspraktiken der Branche und vor allem die Ingredienzen des Erfolgs: Kompetenz, Effizienz und Härte.

Zu der Zeit, als die amerikanischen Studenten in Aufruhr waren, verfolgte der Ökonomiestudent Donald Trump den Geschäftsgang staatlich subventionierter Wohnsiedlungen und wurde auf eine Anlage mit 1200 Wohnungen aufmerksam, die in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Zusammen mit seinem Vater gelang es ihm, die Siedlung für nur 6 Millionen Dollar zu erwerben, mit kosmetischen Renovationen aufzuwerten und zum doppelten Preis zu verkaufen. So trat er mit einem guten Startkapital in Vaters Betrieb ein.

1971 bezog er eine Bude in Manhattan, um mit dem Nährboden grosser Geschäfte vertraut zu werden. Als New York 1973 in eine finanzielle Krise stürzte, wurden die meisten öffentlichen Bauaufträge gestoppt, und private Investoren verloren ihr Vertrauen in die Stadt. Trump hingegen, der Junge aus der Vorstadt, bewunderte Manhattan als Zentrum der Welt und hielt die Krise für eine bald vorübergehende Episode. Im Rückzug der Immobilienhändler sah er seine Chance. Einer Zeitungsnotiz entnahm er, dass eine beinahe bankrotte Eisenbahngesellschaft ihre stillgelegten Gleisareale an der Westseite Manhattans zum Verkauf ausschrieb. Trump ergatterte nicht nur das riesige Grundstück, sondern noch ein weiteres an bester Lage. Dass dem erst Sechsundzwanzigjährigen dieser Coup glückte, verdankt er einer Fähigkeit, die er inzwischen zur Perfektion entwickelt hat: sich selbst zu verkaufen.

Trumps nächstes Geschäft, Kauf und Umbau des vergammelten «Commodore Hotel» bei der Grand Central Station, ist ein Beispiel für die Vielschichtigkeit seiner Handlungsweise. Zuerst überzeugte er die Besitzer — wieder dieselbe Eisenbahngesellschaft — davon, dass er der beste Käufer sei. Gleichzeitig musste er sich nach einem zukünftigen Betreiber umsehen und die ängstlichen Banken zur Finanzierung überreden, während er sich von der Stadt einen Nachlass der Grundstückssteuer erhandelte. Als Bauherr und eine Art Totalunternehmer gelang es ihm sodann, Architektenhonorare und Baukosten niedrig zu halten. All dies machte das «Hyatt Hotel» — wie das «Commodore» umbenannt wurde - zum grossen kommerziellen Erfolg.

Trumps weitere Karriere säumt eine eindrückliche Liste von Hotels, Kasinos und Apartmenthäusern der absoluten Luxusklasse. Er baut, betreibt und besitzt, doch allein mit dem Liegenschaftshandel akkumuliert er Profite in Hundertmillionenhöhe. Als sicherste Einnahmequellen erweisen sich aber die Kasinos, auf die er über das Hotelgeschäft gestossen ist. Mit dem «Taj Mahal» in Atlantic City wird er demnächst das grösste Kasino der Welt eröffnen.

Ständig bestrebt, sein Imperium zu diversifizieren, hat Trump kürzlich den profitabelsten Bestandteil der vom Streik gebeutelten Eastern Airlines zu sehr günstigen Bedingungen übernommen. Am meisten Prestige erkaufte er sich aber mit dem «New York Plaza Hotel», einem Inbegriff amerikanischer Hotelbaugeschichte, dessen gegenwärtige Umgestaltung allerdings wiederholt stilistische und denkmalpflegerische Kritik entfachte.

Es war aber weder ein Luxus- noch ein Grossprojekt, das Trump den Ruf eines Mannes, der Unmögliches zustande bringt, einbrachte. 1980 begann die Stadt, ein grosses Eisfeld im Central Park zu renovieren. Sechs Jahre später waren 13 Millionen Dollar ausgegeben, ohne die geringste Aussicht auf eine Wiedereröffnung. Da anerbot sich Trump, das Eisfeld auf eigene Kosten innerhalb eines halben Jahres fertigzustellen. Dank massiver Unterstützung der Medien bewältigte er den Auftrag für drei Millionen Dollar – unter dem Budget, vor dem Termin und mit zusätzlichen Leistungen.

Donald Trump baut für die obersten Einkommensschichten. Bei seinem Vater hatte er gesehen, wie schmal die Gewinnmarge beim Bau von bescheidenen Wohnhäusern ist. Eine Wohnung mit Attributen der Exklusivität auszustatten erhöht die Baukosten um zehn Prozent, während der Marktwert um ein Vielfaches steigt. So wird Bauen eher eine Frage von Standard und Statussymbolen als von Stil. Nicht Architektur und Gestaltung, sondern die Klischees der Kostbarkeit müssen stimmen.

Der Trump Tower beispielsweise, Flaggschiff und Hauptsitz der Trump Organization, beherbergt die teuersten Geschäfte und Wohnungen der Stadt. Um dem Stahl-Glas-Turm den Anschein von Einmaligkeit zu geben, liess Trump echten italienischen Marmor einführen, der von echt italienischen Bildhauern bearbeitet ist. Der Haupteingang des Trump Tower liegt an der prestigereichen Fifth Avenue, obwohl sich das Volumen auf die Ecke der 56. Strasse hin öffnet. Dass dabei das Atrium einen wenig befriedigenden Zugang erhält und räumlich kaum überzeugt, macht auch das viele hochpolierte Trompetengold nicht wett. Das Atrium ist ein Shopping-Center für Superreiche, in dem die grosse Minderheit der Obdachlosen trotz Zutrittsberechtigung unerwünscht ist.

Italienischer Marmor bedeckt das Atrium des Trump-Tower. Hochpoliertes Trompetengold macht nicht wett, dass das Shopping-Center für Superreiche räumlich kaum überzeugt.

Im Unterschied zu gewissen Baulöwen bewegt sich Trump, mit der Hilfe erstklassiger Anwälte, innerhalb der Legalitätsgrenze. Er weiss nicht nur die Möglichkeiten des Zulässigen auszunützen, sondern macht Gesetzesnischen und -lücken ausfindig. So hat er für sein Projekt «Trump City» gefordert, dass die theoretischen Bebauungsrechte jener Grundstücksteile, die im Hudsonfluss liegen, auf das bebaubare Festland übertragen werden. Mit diesem Schachzug könnte er ein Viertel zusätzlicher Ausnützung ins trockene ziehen und das ohnehin schon klotzige Projekt noch beträchtlich verdichten. Würde diesem Begehren stattgegeben, entstünde für die knapp 1000 km Ufer in New York City eine neue Rechtssituation mit unabsehbaren planerischen Folgen. Mit solchen Taktiken folgt Trump seiner Devise, dass Zonenvorschriften eine Angelegenheit von Verhandlungen sind. Eine soeben publizierte städtische Fallstudie über Zonenhandel zeigt, dass sich finanzielle Zugeständnisse von Immobilienunternehmern zwanzigfach ausgezahlt haben.

Als Beispiel für diese Planungstaktiken kann wiederum das Projekt «Trump City» dienen, mit dem er vorgibt, New Yorks angeblichen Anspruch auf das welthöchste Gebäude zu erfüllen. Im Schatten des 150geschossigen Wolkenkratzers wirkt die Reihe der 60-Geschosser wie Sockelbauten, während in Wirklichkeit die urbane Qualität eines ganzen Quartiers beeinträchtigt wird. Die hohe Ausnützung rechtfertigt Trump mit den Grundstückskosten, die er allerdings durch einen sehr profitablen Verkauf und Rückkauf selber in die Höhe getrieben hat. Heute ist Donald Trump Milliardär und ein Mann mit den Allüren eines Klischee-Ölscheichs. Umgeben von huüenhaften Leibwächtern, bewegt er sich vornehmlich in einem seiner Helikopter jener Machart, wie sie auch der Präsident der Vereinigten Staaten benützt. Neben vielen weiteren Spielzeugen besitzt er eine luxuriöse Boeing 727, einen goldenen Cadillac und die grösste Jacht der Welt. Seine Triplexwohnung zuoberst im Trump Tower liess er verdoppeln, um Adnan Khashoggis New Yorker Residenz an Grösse zu übertreffen. Wird ihm diese Mansarde zu eng, so entflieht er in sein 118-Zimmer-Wochenendhaus in Miami Beach. Und weil er Gegenwartskunst für Schwindelei hält, umgibt er sich mit dem sicheren Wert alter Meister.

Donald Trump wird nicht müde, in der Öffentlichkeit mit seinem einzigartigen Besitz und seinem Namen zu prunken. Höhepunkt dieses Geltungsdrangs ist sein vor zwei Jahren erschienenes Buch «Trump - the art of the deal». Diese selbstgefällige und doch beeindruckende Autobiographie, in der er seine «trump cards» — Trumpfkarten — offenlegt, beginnt mit der entwaffnenden Beteuerung: «Ich tu' es nicht des Geldes wegen.» Dank massiven Aufkäufen hat er das Buch in die nationale Bestsellerliste gepuscht.

Nun gibt es bereits «Trump — das Spiel», eine Art Monopoly mit in Zehnmillionenhöhe. In Vorbereitung ist auch ein Film, in dem Trump sich selber spielt. Und Pressemeldungen zufolge will sich Trump eine auflagenstarke Tageszeitung kaufen und so seinen Einfluss ausweiten.

Die Berühmtheit des Donald Trump ist kaum mehr aufzuhalten, und viele sehen in ihm einen zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten. Die schamlose Promotion seiner selbst, die ihn zumindest für den Wahlkampf prädestinieren würde, unterscheidet Trump aber von älteren Milliardärsgenerationen. Die Rockefellers beispielsweise haben die Öffentlichkeit mehr mit substantiellen Zuwendungen als mit Protzerei bedacht. Doch die Öffentlichkeit scheint dem Parvenu recht zu geben.

Die Touristen aus Übersee strömen in Massen in die Halle des Trump Tower, um das Phantom einer Geldmaschine in Gebäudeform zu bestaunen. Auch die Medien drängen sich um Trumps Aussagen.

Doch solche Attitüden sind «Trump-l'oeil-Effekte», die an den Oberflächenglanz der mediokren Trump-Tower-Architektur erinnern. Paul Goldberger, der Architekturkritiker der
«New York Times», betrachtet Donald Trump als Exponenten einer Zeit, in der Selbstsucht über Gemeinwohl triumphiert. «Trump», dieser so häufig zu lesende Begriff, findet sich auch im Wörterbuch. Unter «trump» liest man «Trumpf, feiner Kerl». «To trump up» heisst jedoch «erdichten, zusammenschwindeln». Kultiviert Donald Trump sein Image als eine Art Vertreter öffentlicher Anliegen, so möchte man die zweite Wortbedeutung für ebenso zutreffend halten.

Das grosse T ist allgegenwärtig im Atrium des Trump-Tower. Mehr als ein Markenzeichen: ein Statussymbol, wie etwa der Stern von Mercedes.

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