Wanderer brauchen Landschaften - allez hopp, Touristiker, macht mehr als Reklame

Wandern in der Biodiversität

Wir sind Wanderweltmeister. Das sagt dieselbe Zeitung, die uns alarmiert wegen der untergehenden Pflanzen- und Tierarten. Damit die Wanderlandschaft bleibt, müssen die Touristiker mehr tun als Reklame trommeln.

Der Beruf der Organsiation Schweiz Tourismus heisst, Ideen erfinden, was wir noch tun könnten in Ferien und Freizeit; die Hoteliers, Bergbahnen und Kuorte dazu bringen, die dafür nötigen Angebote zu installieren und uns dann zu überreden, diese zu kaufen. Seit eh und je ist die Folie für dieses Tun die Landschaft, konsumierbar, leicht erreichbar, ungefährlich. Mit Umfragen erforschen die Tourismusleute die gesellschaftlichen Verschiebungen und schreiben damit die Aufträge für die Fotografen der Prospekte. Die Zeitung berichtet heute von einer Verschärfung des Landschaftsbildes: Wir erwarten mehr unberührte Natur, wir Schweizerinnen und Schweizer sind die Weltmeister des Wanderns durch sie. Wir wollen uns erholen, wo es landschaftlich unberührt, natürlich belassen und damit schön ist. Nun ist das keine Sensation. 

Landschaft verliert die Substanz

Bemerkenswert aber ist, wie in derselben Zeitung die Naturwissenschafter des Weltbiodiversitätsrates ein Drama mit Pauken und Trompeten verkünden: Wir sind Zeugen eines massenhaften Artensterbens, viele Tiere und Pflanzen sterben aus. Wegen uns, wegen unseren Ansprüchen an die Landschaft als Bauherren, Architektinnen, Bewohner, als Autofahrer, als Fleischesserinnen und so weiter. Die Entwicklung, so tönt es aus dem Zeitungsbericht, sei sehr schwierig umzukehren. Was verloren ist, ist verloren. Gewiss, die grossen Problemlandschaften liegen in den für die Fleischkuh-Haltung abgeholzten Wäldern in Lateinamerika und in den Palmöl-Landschaften von Südostasien. Aber die dort lebenden Menschen brauchen ja weder so viel Palmöl noch Fleisch – es kommt zu uns. Wir wissen das, und der Bericht sagt es uns noch einmal; und er sagt auch, dass die Schweizer Landschaften keineswegs vom weltweiten Trend ausgenommen sind. Unsere Bauern kaufen mit einem Teil der jährlich über sechs Milliarden Subentionen Pestizide, die die Vielfalt der Landschaft auslöschen und das Trinkwasser vergiften. Und der Landverbrauch für Häuser, Strassen und so weiter setzt dem komplizierten Wort Biodiversität auch kräftig zu. Wir verlieren die naturnahen Landschaften vor der Haustüre in steigendem Tempo. Und sollen nun darin vermehrt wandern?

Tourismus soll erwachen

Damit das aufgeht, ist sind nun gesellschaftliche Schulterschlüsse zwischen der Landschaftsvernunft und dem Fremdenverkehr nötig. Reklame trommeln und Bildli machen genügen nicht. Wenn Schweiz Tourismus heute die Zeitung liest, sich freuend über die gute Platzierung seiner Landschaftsfreude und staunend über den Verlust der Biodiversität, so muss die Institution Partei nehmen für die Landschaft, wohin sie uns wandernd schicken will. Sie muss um Einlass bitten ins Komitee der Landschafts- und Biodiversitätsintiative von Pro Natura und Co; sie muss Farbe bekennen für die landschaftlich wichtigen Pestizid-Initiativen, die zur Zeit in der Kommission des Nationalrats verhandelt wird, sie muss ihre Hoteliers und Bergbähnler dafür begeistern und verpflichten – denn nur mit deutlichen und klaren politischen Taten wird die Substanz der schönen Bilder in den neuen Wanderbroschüren erhalten bleiben. 
 

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