Die Spuren der Wassernot von Cressier bei Neuenburg

Postkarte Nr.34 Wassernot in Cressier

Klimaspuren inspiziert Cressier. Sturzbäche mit Murgang haben das Dorf bei Neuenburg stark beschädigt. Ein Vorgeschmack auf üblich werdende Bilder der Wassernot.

Über dem Dorf liegt eine drückende Hitze, aus den Häusern dampft es und riecht eigenartig, die Parterres sind freigeräumt und leer, die Strassen aufgesprengt, die Gärten noch unter meterhohem Schutt aus hellbrauner Erde, Steinen und Holz. 75 Häuser sind teils arg beschädigt, über 100 Mio. Franken, teilt die Schweizer Mobiliar mit, müsse allein sie rüsten. Auf den Strassen stehen vollgepackte Mulden. Spuren des Unwetters überall, das vor ein paar Tagen das Dorf zerstört hat. 

Die Stimmung ist gespenstisch, auch wenn zahlreiche Menschen heiter lachend am Schaufeln sind, Bagger emsig graben und Lastwagen hin- und her fahren. Klimaspuren macht keine Katastrophenbesichtigung. Wir sind unterwegs von Nods im Berner Jura nach Neuenburg. Im Gemüt die mulmige Vorstellung – so ist es also, wenn die Sturzbäche losdonnern: Zwei harmlos scheinende Bächlein waren es hier. Und um 19 Uhr abends nach dem Starkregen donnerten sie ins Dorf. Gottseidank nur Sachschaden. 

Doch der Liebgottdank hat schon nichts genützt als Jeremias Gotthelf 1838 nach ihm rief in der «Wassernot im Emmental», einer der packendsten Reportagen des Schweizer Journalismus. Bald streift Klimaspuren durch die Weingärten über dem Dorf und ich denke: Gewiss, Unwetter gibt es schon lange, die Ursachen sind vielfältig, es verniedlicht die Klimakrise, wer ihr jeden Sturzbach in die Schuhe schiebt. Aber die Wucht der Zerstörung gibt Anschauung, was auf uns wartet. Wie eine Gesellschaft funktionieren kann, wenn die Wassernot Gewohnheit würde, übersteigt meine Phantasie.

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