Feuerteuel und Baggerzahn, Notre Dame und Alltag

Notre Dame de Paris, Feuerteufel und der Baggerzahn

Tränen für Notre Dame de Paris. Das muss uns ermuntern, uns besser um die Denkmäler in der Schweiz zu kümmern. Nicht nur der Feuerteufel, sondern auch die Unvernunft, die Gier und der Profit bedrohen sie.

 

Mein Freund Peter erzählte mir heute morgen eine Geschichte, die wohl bei vielen Morgenkaffees zu hören war: «16 Jahre. Mit Autostopp nach Paris. Zum ersten Mal fort. Und dann diese mächtige Kirche mit den zwei abgesägten Türmen, dunkel vom Stadtdreck, grossartig, erhaben. Obschon kein Betbruder, weiche Knie. Die grosse Rose über der Türe von aussen und innen so anders. Eintreten und nicht wissen – wirkt der Raum oder die Gewissheit, nun bin ich in einer ganz anderen Welt als meiner Gewohnten?» Und nun dies, angebrannt die Jugend, fort der erhebende Raum, Tränen der Trauer. 

Feuerteufel und Baggerzahn

Die Tränen wegen des schwarzen Rauchs, der aus dem Grossdenkmal in den Himmel zog, verstecken den Alltag des Normaldenkmals in der Schweiz und wohl auch in Frankreich. Im Inventar der schützenswerten Ortsbilder (ISOS) sind unsere Denkmäler – fünf Prozent grosse, 95 Prozent normale – versammelt. Sie können, was die brennende Kirche kann: Geschichte erzählen, Freude machen, Erinnerungen stiften. Doch immer mehr fordert da eine Strasse: «Mehr Breite»; ruft dort ein Eifriger: «verdichten» und befiehlt hier ein Zinslipicker «Umbauen, abereissen». Dem Normaldenkmal geht es nicht so gut wie dem Grossdenkmal. Nun soll auch die eidgenössische Politik, die bisher in recht breitem Konsens den Denkmälern des Alltags einen bescheidenen Schutz gewährt hat, gekehrt werden. Im Ständerat arbeitet die Fraktion der Denkmalfeinde geduldig, damit die Motion des freisinnigen Zugers Joachim Eder Gesetz werde und dem Denkmal Schutz nimmt; im Nationalrat probiert ein Vorstoss des Zürcher SVP-Politikers und Hauseigentümer-Präsidenten Egloff Ähnliches. Darum: wer nun Tränen weint über das brennende Grossdenkmal von Paris, soll ein paar übrig behalten für die Normaldenkmäler, die den Alltag, die Baukultur und die Eigenart bereichern – sie haben es schwerer als die weltberühmte Kirche. Nicht nur der Feuerteufel, auch der Baggerzahn, der Unverstand und der Profit bedrohen sie.
 

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Kommentare

Andreas Konrad 23.04.2019 21:52
Schänder auch in Zürich: Völlig intakte Gebäude werden geschliffen, meist aus der Zeit um 1900. Ein Unding. So geschehen an der Mutschellenstrasse 69, erst 2014 ( ! ) aufwendig umgebaut und renoviert, jetzt dem Boden gleichgemacht. Dahinter stecken kulturlose Gesellen wie die «Swiss Re», die für den schnellem Buchgewinn ihr Tafelsilber verschleudern und vorher noch den «Baugrund bereinigen». Die Stadt tut nichts, andernorts siehts nicht besser aus. Man hofft auf kluge und kampfbereite Köpfe.
Michael Minder 19.04.2019 10:38
Danke für den Vergleich zu den CH-Baukulturgüter. Topp!
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