In Zürich verbinden die Streiterinnen gegen das Fussballstadion Luxus mit der Schlechtigkeit der Welt. Ein Einspruch. Fotos: nightnurse images

Luxus, Schnabelschuh, Fussball

In Zürich verbinden die Streiterinnen gegen das Fussballstadion Luxus mit der Schlechtigkeit der Welt. Ein Einspruch.

«Luxuswohnungen» – im Streit gegen das Vorhaben von Stadt- und Gemeinderat der Stadt Zürich, im Hardturm ein Fussballstadion zu bauen und es mit dem Geld aus zwei Hochhäusern zu bezahlen, steigen die Gegnerinnen auf die Theaterbühne. Sie sagen, die Grossbank CS ziehe die Stadt über den Tisch. Aber sie glauben nicht, dass ihre nüchternen, buchhalterischen Argumente wirken, sondern heben sie in einen gut bewährten, zürcherischen Diskurs: Pfui. Luxus. Der muss aus der Stadt ausgetrieben werden.

Nun wird das in Zürich auf guten Boden fallen. Denn schon vor der Reformation, die vor 500 Jahren die Stadt umgekrempelt hat, war der Kampf gegen den Luxus hier beliebt und eifrig. Und nach der Reformation erst recht. Mit strengen Mandaten, einem ums andere, mit detailliertem Bussenzettel und einer Luxuspolizei hielt der Stadtrat von Zürich seine Bürger und deren Frauen in Schach und führte sie zum richtigen Leben. Er verbot zum Beispiel das Tragen kostbarer Stoffe im öffentlichen Raum, erliess detaillierte Vorschriften gegen die Schnabelschuhe, eine Mode, die zu spektakulären Auftritten mit Schnäbeln an den Schuhen führte, die dreimal so lange waren wie die Schuhe selber – ihre Träger wollten Aufmerksamkeit für erotische Abenteuer gewinnen. Die Obrigkeit wetterte aber nicht gegen dieses Ansinnen, sondern gegen den Luxus, mit dem sich Wenige über die Vielen stellten. Er liess sich nicht austreiben, die Schnabelschuhe, eine Mode, verschwanden selbstverständlich, aber die nächsten Mandate nahmen die mit Gold und Silberfäden verzierten Schellensäcke aufs Korn, in denen die Schnabelschuhlosen nun ihre Hoden einpackten, ausstaffierten und zur Schau stellten. Kurz, der Luxus ist in der Kultur- und Designgeschichte immer mit erotischer Avance verbunden und so müssen wir die Luxuspfui-Rufer von Ulrich Zwingli bis Jacqueline Badran als aufrichtige Kämpferinnen und Streiter für das Saubere, Gute und Wahre loben.

Bemerkenswert ist die Umkehr der Verhältnisse. War und ist der Kampf gegen den Luxus meistens einer der Oberen gegen die Unteren sei es, sie erziehen oder von die Volkswirtschaft vor Verschwendung von Mitteln retten zu wollen, so klagt nun der Widerstand die Obrigkeit an, dieses zu tun. Ihr Tauschgeschäft biete den Geldsäcken Plattformen mit geschosshohen Fenstern, wo sie ihren Luxusbedarf leben und ausstellen können. Doch Luxus bereichert das Leben nicht nur des den Luxus Geniessenden, sondern auch das von uns Habenichtsen. Auch gerät es mit der Parole der SP in Streit, die ja kurz und bündig sagt: «Für alle». Wo sollen denn die Reichen wohnen, wenn sie keine Wohnungen mehr haben?

Massstab könnte sein, dass Luxus dort seine Grenze habe, wo er der Allgemeinheit oder dem Nächsten nachteilig wird. Dem Wohnluxus kann ich immerhin ausweichen. Den Folgen des Luxus der steil zunehmenden Fliegerei auf das Klima bin ich dagegen rettungslos ausgeliefert. Da nützt es nichts, wenn ich mit dem Zug fahre oder zu Fuss gehe. Und der Wohnluxus des einen wird mir immerhin den Luxus des Fussballstadions bieten. Andersherum – wer den Fussballluxus mag, kann dem Wohnluxus getrost zustimmen, zumal er ja in einer vielfältigen Mischrechnung von allem mit allem auftritt.

close