Hochparterres Chefredaktor Köbi Gantenbein

Design im Klimawandel

Das Fingerzeigen auf die französischen Benzindemonstranten greift zu kurz. Klimaschutz braucht profiliertes Design, soziale Umverteilung und keine Offroaders.

Wir wissen nicht recht, was von den Gilets jaunes in Frankreich halten. Man neigt zum Hadern mit der lautstarken und erfolgreichen Opposition gegen die Erhöhung des Benzinpreises, die die Regierung als Massnahme gegen den Klimawandel einführen will. Sinnvoll und nötig, denn die Abgase aus den Benzinmotoren sind wesentliche Klimasünder. Hört man den Demonstranten zu, wird aber Zurückhaltung nötig. Frankreichs bürgerliche und sozialdemokratische Regierungen haben den öffentlichen Verkehr völlig verludern lassen. Ausserhalb des U- und S-Bahn Netzes des Grossraums Paris ist alles Autowelt. Der Alltag ist wie in Italien, Spanien, Griechenland und weiteren europäischen Staaten, von Amerika nicht zu reden, völlig vom Auto abhängig – und zwar noch auf lange Zeit. Es bleiben zwei Designs übrig.

Erstens das Design der Gerechtigkeit. Die Benzinpreiserhöhung führte direkt zum Aufstand, weil sie einseitig zum Schaden der Menschen geriet, die wenig haben. Und aufgrund struktureller Nachteile oft weit weg von ÖV leben. Sie sagen: «Dich kümmert das Ende der Welt. Mich kümmert das Ende des Monats.» Andersherum – eine Klimasteuer kann nicht als Gebühr für alle gleich erhoben werden, sondern muss sozial ausgleichend funktionieren. Wer viel hat, zahlt mehr als der andere und das Geld aus der Abgabe des Reichen kommt dem Ärmeren zu Gute.  Bettina Dyttrich bemerkte neulich überdies in der ‹Woz› , dass alle in Europa, auch die Benachteiligten, auf Kosten von den noch ärmeren und den Ökosystemen anderer Kontinente leben. Dass also Klimaschutz nur mit weltweitem sozialem Ausgleich wird funktionieren können. Davon sind wir weit weg, wir steigern unseren Luxuskonsum. Der Flughafen Zürich meldete neulich seinen 30 Millionsten Gast dieses Jahres, ein Drittel der neu eingelösten Automobile sind Offroaders.

Zweitens das Design des Autos. Die Infrastrukturen für Bus und Zug – ausser der Verbindungen zwischen den Städten – sind in Frankreich im Elend. Skandalös ist darum, wie die Industrie der fossilen Energie, ihren Einfluss ausspielt bis zur letzten Minute. Zu ihr gehört – noch – die Autoindustrie. Es ist unverständlich, dass das Design der alternativen Antriebssysteme oder der Autos, die unter 2 Liter auf 100 km brauchen zwar schon lange bekannt, aber nicht Standard wird. Und wenn gilt, dass die Tabakwerbung verboten wird oder auf dem Zigarettenpäckli steht  «Fumer tue» gehörte die Fabrikation von Offroadern mit ihrem grossen Benzinverbrauch schlicht untersagt oder sie müssten ihr Schandmal gut sichtbar tragen: «Ich bringe das Klima um».

Ein Blick noch auf die Schweiz: Die SVP hat vorsorglich angekündigt, dass sie sich mit allen Mitteln – und sie hofft natürlich mit einem Referendum – gegen eine Benzinpreiserhöhung als Klimapolitik wehren werde. Wenn in der Schweiz jemand sagt, man könne ohne Auto schlecht leben, dann lügt er oder hat keine Ahnung. Es geht bestens. Die automobile Aufrüstung hierzulande hat wenig mit Mobilität zu tun, sondern mit Komfort und Konvenienz, mit Spieltrieb und Angeberei. Ein Drittel der neu eingelösten Autos sind Offroaders, obschon es wenig Orte im Land mehr gibt, wo derart überdrehte Karren Sinn machen und nötig sind. Sie haben in einer Gesellschaft, die sich daran macht, ihren klimatischen Fussabdruck etwas zu verkleinern, weder Platz noch Zukunft.

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Kommentare

Susanne Zollinger 15.01.2019 15:34
Vielen Dank für diesen längst fälligen Kommentar! Sie sprechen mir aus der Seele!
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