Jakob staunt übers grosse Bauen ausserhalb der Bauzone.

Das Zersiedeln geht weiter

Ein Gang in den ersten Tagen des neuen Jahres durch die Bündner Herrschaft. Das Bauen ausserhalb der Bauzone geht flott voran. Nötig ist darum die Unterschrift unter die Landschaftsinitiative.

Wie genüsslich ist doch die Wanderung von Malans durch die Bündner Herrschaft nach Fläsch, gekrönt gar mit einem Nachtessen im «Landhaus» von Fläsch, wo Ignaz den besten Hackbraten weit herum kocht. Über Wiesen, durch Wälder und Rebberge; durch Biotope, wo der Eisvogel wohnt und der Schlehdorn im Winterkleid steht. Auch wenn es ein Jahresbeginn ohne Schnee ist. Durch Dörfer, staunend, wie gebaut wird, als würde morgen der Ziegelstein verboten. Gut drei Stunden. Auf der Wiese an der Dorfgrenze von Jenins und Malans stehen Bauprofile.

Baugespann an Malans’ Grenze: gross bauen ausserhalb der Bauzone.

Dreieinhalb Minuten dauerte es, um um das Gespann zu laufen. Das gibt etwa die Grösse vor, die ein Bauernhof heutzutag beansprucht für Tiere, Futter und Maschinen. Ich seufze und singe den gefrorenen Gräsern, den Käfern im Winterschlaf und der freien Landschaft, die hier bald übergeht in einen grossen Bau, ein Requiem. Eine gute halbe Stunde weiter sehe ich schon Maienfeld. Vor dessen Dorfeingang planieren Bagger eine Fläche, so gross wie einen Fussballplatz. Auch hier war Landwirtschaftsland an einem Hang, eine Baumreihe säumend, die Rebberge nach unten mit Weite abschliessend. Hier wird eine Pferdeunternehmung sich niederlassen. Sie verlässt das Dorf, wo ihre Ställe einer Überbauung Platz machen. Sie wird hier mit einem ausgebauten, komfortablen Programm für Reiterinnen und Tiere vom Stall über die Sattelkammer bis zur Reiterwirtschaft Platz bereiten, denn das Pferd ist in dieser Gegend ein geliebtes Freizeittier geworden.

Bauen ausserhalb der Bauzone

Maienfelder Pferde- und Jeninser Bauernhof sind Bauten ausserhalb der Bauzone. Diese Zone aber ist eine zentrale kulturelle und planerische Errungenschaft in der Schweiz. Im Bauboom der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts wurde politisch tragfähig, die freie Landschaft der Schweiz vor ungezügeltem Zubauen zu schützen. Also regelt seit 1980 das Raumplanungsgesetz, dass es eine Bauzone gibt – da kann gebaut werden; und eine Zone, in der nicht gebaut werden kann, weil da Wald ist, Gefahr oder Landwirtschaftsland. Diese Errungenschaft galt und gilt als Prinzip, zu dem viele stehen und an das sich viele gewöhnt haben. Aber es gibt kein Gesetz, kein Prinzip, das so gelöchert worden wäre. 43 Ausnahmen haben die Parlamentarierinnen und Parlamentarier seither eingefügt von der «vollständigen Zweckänderung für Wohnbauten» bis eben zu Paradiesen des Pferdes. 63 Prozent der Schweizer Siedlungsfläche sind Bauzone – den restlichen 37 Prozent setzen die Veränderung der Landwirtschaft, die Ansprüche des Fremdenverkehrs, der Strassenbauer und derer, die Nichtbauland in Bauland verwandeln für die Zersiedelung der Dörfer und ihren Geldsäckel zu.

Parlament gescheitert

590 000 Bauten – und täglich mehr – stehen ausserhalb der Bauzone. So dass die Politikerinnen und Beamten des Bundes und der Kantone sprachen: So kann es nicht weitergehen. Die Schweiz verschwindet. Und sie revidierten das Raumplanungsgesetz mit einer Vorlage. Statt einfach zu bestärken: «Hier wird nicht gebaut, denn es ist keine Bauzone», wählten sie den komplizierten Weg mit Kompensationen und Ausnahmen – immer im Bemühen, das Fell des Bären nicht nass zu machen und die Bauerei zu ermöglichen. Zwei Vernehmlassungen liessen ahnen, was im Dezember geschehen ist – der Nationalrat ist auf die Beratung des Gesetzes gar nicht eingetreten: Das Bauen ausserhalb der Bauzone geht weiter von Golfplätzen bis zu Anlagen, wo 20 000 Güggeli im Fabrikhof leben. Dass die Revision des Raumplanungsgesetzes gescheitert ist, ist für die klugen Leute im ARE und in Kommissionen zwar eine Enttäuschung, aber es ist gut. Denn dieses Gesetz hätte mit der Bauerei ausserhalb der Bauzone noch mehr Juristinnen gefüttert als es das alte tut. Und es spart Kräfte, denn das Referendum gegen dieses Gesetz wäre wohl nötig geworden.
Nun – das scheinbar grüner gewordene Parlament wird von sich aus kaum an einer griffigen Revision des RPG arbeiten. Also ist der Abbruch eine Steilvorlage für die Landschaftsinitiative von Pro Natura, Heimatschutz, Birdlife und der Stiftung für Landschaftsschutz, die mit der Verbauung von Natur- und Kulturland aufhören will, indem sie einem bewährten Grundsatz hilft: gebaut wird in und nicht ausserhalb der Bauzone. Noch ein paar Wochen läuft die Unterschriftensammlung: Unterschreiben Sie!

 

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Kommentare

Carla Landquart 10.01.2020 00:23
DANKE
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