Alge statt Rind: Hanan Alkous Fleischersatz aus Seetang.

‹Food Revolution 5.0›

Unser tägliches Brot ist in Form gebrachtes Material. Damit gehört Nahrung zu gestalten zu den frühesten Designaufgaben überhaupt. Dieses Thema bearbeitet die Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur.

‹Food Revolution 5.0› versammelt Konzepte, die einen kritischen Blick auf unser Verhältnis zu Lebensmitteln werfen und Alternativen zum aktuellen Ernährungssystem vorschlagen. Die Berliner Designerin Johanna Schmeer etwa untersucht, wie sie mit enzymverstärkten Biokunststoffen durch Lichteinwirkung Nährstoffe produzieren kann. Weil die Viehzucht mehr CO² produziert als das Autofahren, hat die kuwaitische Designerin Hanan Alkou eine Vision für einen Fleischersatz aus Seetang entwickelt – der aussieht wie ein riesiges Stück Fleisch. Der italienische Designer Maurizio Montalti erforscht Alternativen zu fossilen Brennstoffen und zeigt, wie ein Pilz Kunststoff abbauen kann, während ein anderer ihn zu Bioethanol verarbeitet. Eindrücklich ist auch das Fotoprojekt ‹One Third› des Fotografen Klaus Pichler: Seine Stillleben illustrieren eine UN-Studie, laut der wir ein Drittel aller Nahrungsmittel weltweit verschwenden, während 925 Millionen Menschen hungern. So inszeniert Pichler etwa einen Haufen verrottender Erdbeeren, über dem Fruchtfliegen kreisen.

Rund fünfzig solcher internationaler Design- und Forschungsprojekte präsentiert die Ausstellung. Es sind zukunftsweisende Konzepte und kritische Kommentare. ‹Food Revolution 5.0› ist eine Zusammenarbeit des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg und des Gewerbemuseums Winterthur. Winterthur vertieft einzelne Themenbereiche und erweitert sie um Arbeiten und Projekte aus der Schweiz sowie lokale Fragen. Der St. Galler Designer Noël Hochuli etwa beschäftigt sich mit Nahrungssuche in der Stadt und präsentiert ein Set für die Brennnesselernte. Ein dichtes Veranstaltungsprogramm rundet die Schau ab. Pointiert zeigen die Kuratoren, wie politisch unsere Entscheide über die Nahrungsmittel sind, die wir konsumieren. Daraus folgt die These der Ausstellung: Die Welt braucht eine globale Food Revolution, die zukünftige Technologien mit alten handwerklichen Techniken und kulturellem Wissen um die Besonderheiten der Lebensmittelherstellung verbindet. Vor allem aber ist eine globale Ernährungsdemokratie nötig. So sind die Besucherinnen am Ende alle zu dieser Revolution aufgerufen, denn wir sind, was wir essen – und ohne Essen existieren wir nicht. 

Ausstellung ‹Food Revolution 5.0›
Gewerbemuseum Winterthur ZH, bis 28. April 2019
Kuration: Claudia Banz (Ausstellungsidee und Konzept, Kuration Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg / Kunstgewerbemuseum Berlin), Susanna Kumschick, Mario Pellin (Kuration Gewerbemuseum Winterthur und Rahmenprogramm)
Szenografie: Gewerbemuseum Winterthur
 

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