Vom Stromkabel zum Teppich: Tino Seuberts ‹Cable Rug› widersetzt sich dem Markt. Fotos: Lorenz Cugini

Design probieren

Die beiden Kuratorinnen Giovanna Lisignoli und Martin Rinderknecht schaffen mit ‹Second Nature Design Projects› Raum für experimentelles, zeitgenössisches Design.

Giovanna Lisignoli und Martin Rinderknecht haben bereits mehrmals zusammengearbeitet. 2016 etwa kuratierten sie die Gruppenausstellung ‹Hello Today›, die Arbeiten von Jörg Boner, Frédéric Dedelley, Christoph Hefti oder Stéphanie Baechler versammelte. Nun haben die beiden Kuratoren ‹Second Nature Design Projects› gegründet, um regelmässig Raum für experimentelles, zeitgenössisches Design zu schaffen. «Wir fokussieren auf Prozesse, nicht auf das fertige, industriell produzierte Produkt», sagt Giovanna Lisignoli. So zeigen sie vornehmlich Prototypen, Unikate, limitierte Editionen und Kleinserien. Ihre Arbeit starteten sie mit einer dreiteiligen Ausstellungsreihe in der Zürcher Altstadt am Neumarkt 20, einer ersten – temporären – Bleibe.

Vom Stromkabel zum Teppich: Tino Seuberts ‹Cable Rug› widersetzt sich dem Markt.

Die erste Schau ‹Material Temptations› präsentierte im Januar und Februar Werke von vier jungen Designern, die in ihren Positionen das Potenzial von vorgefertigten Materialen ausloteten, die in jedem Baumarkt zu finden sind. Besonders konsequent zeigt dieser Do-it-yourself-Gedanke der deutsche Industriedesigner Phan Thao Dang mit seinem ‹Amazon Prime Low Chair›: Er ordert online einen Eimer, ein Aluminiumprofil, einen PVC-Schlauch, eine Lendenwirbelstütze, Sperrholz und etwas Kunstleder, setzt es zusammen, und fertig ist das Möbel. Das Resultat: ein erstaunlich bequemer Stuhl. Auf seiner Website stellt er zudem die Shopping-Liste inklusive Links zur Verfügung, damit jeder den Sessel schnell und einfach nachbasteln kann. Ähnlich pointiert widersetzt sich Tino Seuberts ‹Cable Rug› dem Markt: Er bringt orange Kabel durch Kabelbinder in eine Fläche, die beiden Abschlüsse schmückt er jeweils mit einem Stecker.

‹Mixed Messages› hiess die zweite Ausstellung. Sie versammelte Ergebnisse aus Design-Residenzen, einem Freiraum, der Experimente per se fördert. So entwickelte Dimitri Bähler während ‹Hors Pistes› in Burkina Faso Masken, die er mit lokalen Handwerkerinnen und Handwerkern fertigte. Stéphanie Baechler erarbeitete im Rahmen eines geförderten Auftritts an der London Design Biennale eine Technik, die ihre persönliche Formensprache prägte. Aus dieser glasierten Keramik zeigte sie in Zürich die Installation ‹Save our souls›. Den Abschluss des temporären Projektraums machte im April schliesslich das Duo Plueer Smitt mit einer Carte Blanche: Ihr Leuchtkörper ‹+1› verweigerte sich als funktionale Lichtquelle und forderte die Besucherinnen und Besucher auf, ihre Rolle als Konsumenten zu hinterfragen.

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