Cover Architekturführer Mond

Sofareise zum Mond

Zum 50. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung hat Paul Meuser einen Architekturführer zum Mond herausgegeben: Eine inspirierende und bildertolle Fundgrube zur Mondraumfahrt – einzig die Architektur fehlt.

Zum 50. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung hat Paul Meuser einen Architekturführer zum Mond herausgegeben. Die 368 Seiten dicke und mit unzähligen Illustrationen, Fotos und Plänen vollgepackte, chronologisch geordnete Fundgrube zum Erdtrabanten ist Teil der umfangreichen Architekturführer-Reihe von Dom Publishers aus Berlin. «Ist es überhaupt zulässig, die Sonden und Schrotthaufen unter architektonischen Gesichtspunkten zu systematisieren?», fragt der junge Berliner Künstler und Autor in der Einleitung gleich selbst. Indem er auf den folgenden Seiten Hans Holleins Essay «Alles ist Architektur» aus dem Jahr 1968 nachdruckt, lässt er den österreichischen Architekten und Theoretiker die Antwort geben und entgeht – wenigstens vordergründig – mit dessen Architekturdefinition der kritischen Frage, die einem während der ganzen Lektüre begleitet. Nämlich: Was haben die rein auf material- und (ingenieurs-)technischen sowie statischen Prinzipien basierenden Sonden, Raketen, Fahrzeuge oder Stationen mit Architektur zu tun? Für Leser mit einem engeren Architekturverständnis als Hollein wenig bis gar nichts. Was aber nicht heisst, dass ihnen das Buch keine phantastischen Fährten eröffnet oder Denkanstösse in die Schwerelosigkeit gibt. Interessant ist etwa das Spannungsfeld, das sich zwischen den minimalistischen Innenräumen von Raumfähren und der massstabslosen Weite des Weltraums eröffnet. Und auch die Erkenntnis, dass der existentielle Innen- und der unendliche Aussenraum nie zusammen gedacht werden. Oder dass sich die aktuellen Pläne einer chinesischen Mondstation in die Bautypologien starr, aufblasbar, aus gedruckten Modulen und deren Kombination gebaut unterteilen lassen. Man erfährt auch, dass sich beim Test (auf der Erde) des Prototypen des chinesischen «Lunar Palace» herausgestellt hat, dass sich Frauen für Mondmissionen besser eignen: Sie verbrauchen weniger Nahrung, Luft und Wasser als Männer. Eine Perle ist das Interview mit der heute 88-jährigen russischen Weltraumarchitektin Galina Balaschowa zu konkreten Gestaltungsfragen der Innenarchitektur einer Mondlandefähre. Ausgeträumt scheint die Besiedelung des Mondes noch lange nicht, wie die Texte von Brian Harvey und Gurbir Singh zu den gegenwärtigen Entwicklungen der chinesischen und indischen Mondraumfahrt zeigen. Auch wenn das Buch den Anspruch im Titel nicht einlöst, ist es ein inspirierendes Sammelsurium an Wissen zur Geschichte der Mondraumfahrt. Und vielleicht vermag es auch einen Anstoss geben, langsam über «lunaren Denkmalschutz» nachzudenken.

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