«Schaut Euch den Scharoun genauer an!»

An der Vernissage des Buches ‹Hans Scharoun und die Entwicklung der Kleinwohnungsgrundrisse› hielt Benedikt Loderer diesen Vortrag. Er preist die Grundrisskunde und die Bauzeichnerkunst des Architekten.

Fotos: Georg Aerni

An der Vernissage des Buches ‹Hans Scharoun und die Entwicklung der Kleinwohnungsgrundrisse› hielt Benedikt Loderer diesen Vortrag. Er preist die Grundrisskunde und die Bauzeichnerkunst des Architekten.

Ist ein Buch gut, so ist man nach der Lektüre klüger. Mir ist das passiert. Also muss ich zuerst Ulrike Tillmann und Markus Peter meinen Dank abstatten. Sie haben mir eine Bildungslücke gestopft, die mir erst durch ihre Arbeit bewusst wurde. Hans Scharoun stand für mich im fernen Zwielicht der anderen Moderne, in jener grauen Zone, wo die Gerüchte wohnen. Kollektivplan im Urstromtal war mein erster Gedanke, Zirkus Karajani der zweite. Wie immer: Das Vorurteil nährt sich von der Ignoranz. Was man nicht kennt, darüber weiss man alles und das genügt. Tillmann und Peter haben mir die Brille geputzt. Herzlichen Dank für die klarere Sicht. Leute, schaut Euch den Scharoun genauer an! Es lohnt sich. Ich entdeckte einen Architekten. Einen Grundrisskünstler. Einen Mann, der unser Metier beherrscht, einen Unabhängigen, der sich entwickelte, aber nie verdrehte. Einen deutschen Architekten auch, der eingewurzelt blieb und nie den Schalmeien des internationalen Stils folgte. Mitbewegt von den Zeitläufen gewiss, doch eigenständig, will sagen, alleinstehend. Kurz, ich lernte Hans Scharoun näher kennen, was mit guttat. Das Buch ist ein Lehrgang im Fach Grundrisskunde, worin Scharoun ein Meister war. Das Stichwort heisst Kleinwohnung. Wer weiss noch, was das ist? Für Kleinwohnungen sind wir zu reich geworden. Dreibettwohnung, wie bitte? Sie meinen doch drei Zimmer, oder? Klein jedenfalls sind unsere Wohnungen längst nicht mehr. Eine Schlafnische mit zwei Betten, die nur durch einen Vorhang vom Wohnraum abgetrennt ist, das wollen wir niemandem zumuten, müssen wir auch nicht, da wir unterdessen genügend Geld haben. Wir können uns mehr Platz leisten und das ist gut so. Im Wohnungsbau der Schweiz seit 1950 sieht man den Wohlstand an der Arbeit. Wie lange noch? ###Media_4### Allerdings haben wir mit dem Dickwerden die Raffinesse verloren, die es zum Dünnbleiben braucht. Sparen, zähnekn...

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