John Ruskin – Werk und Wirkung. Internationales Kolloquium John Ruskin (25. – 27. August 2000)

Prophet oder Kunstschriftsteller?

Es gibt die Chrott im Hals, man hustet und wird die Irritation nicht los. Doch es gibt auch die Chrott im Hirn. In dem des Stadtwanderers heisst sie John Ruskin.

Es gibt die Chrott im Hals, man hustet und wird die Irritation nicht los. Doch es gibt auch die Chrott im Hirn, in meinem zum Beispiel heisst sie John Ruskin (1819-1900). Da lese ich eine Aufsatzsammlung, die im Antiquariat gefunden habe: «John Ruskin Werk und Wirkung». Genau, Wirkung, das muss ich lesen. Im Lesezirkel Hönggerberg wurde vor ein paar Jahren seine «Seven Lamps of Architecture» behandelt und ich hatte mich damals über seinen Priesterton geärgert und seine moralische Keule. Vom hohen Katheder herunter verkündet der Prophet die ewige Wahrheit. Sie ist vorindustriell, nein gotisch. Der einfache Handwerker, der redliche Bauer, der fromme Mönch, das ganze Personal lebt nach christlichen Grundsätzen und verwirklicht die Aufopferung, die Wahrheit, die Kraft, die Schönheit, das Leben, die Erinnerung, und den Gehorsam. Da ist einer, der schon früh nur mit dem Herzen gut sah. Kurz, einer der Stifter der allgemeinen Gefühlsschlamperei, die die Architektur moralisch vergiftete. Schön ist, was mittelalterlich, aus Stein gehauen, christlich, bescheiden, aufrichtig und so weiter ist. Das im «Workshop of the World», in England, dem höchstindustrialisierten Land des 19. Jahrhunderts! Ich pflegte also mein Vorurteil und stellte es auf den Prüfstand der Lektüre. Zur Kenntnis nehmen musste ich, dass Ruskin weit mehr war als der wetternde Prophet. Er war der führende Kunstschriftsteller seiner Zeit, war Zeichner und Landschaftsmaler, war Geologe, war Sozialreformer, Erzieher, Alpinist, Ästhet, aber er war vor allem ein «unentwegter Schreiber, der im Schreiben alles zusammenführt, was er beobachtet, aufnimmt und verarbeitet, womit er auch absichtlich die verschiedenen Formen von Erfahrung und Einsicht, von Praxis und Theorie ständig mischt und so den Schreibfluss umso mehr aufrecht erhält.», wie der Architekturhistoriker Werner Oechslin im Band zum Ruskin Kolloquium vo...
Prophet oder Kunstschriftsteller?

Es gibt die Chrott im Hals, man hustet und wird die Irritation nicht los. Doch es gibt auch die Chrott im Hirn. In dem des Stadtwanderers heisst sie John Ruskin.

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