Be-greifen ist neben Sandwich-Essen die Lieblingsbeschäftigung am Brownbag-Lunch in der Schweizer Baumuster-Centrale in Zürich. Foto: Gianfranco Rossetti
Im Auftrag von Scobalit

Formbar

Scobalit wirkt als Baumaterial irgendwie jugendlich. Es ist leicht und veränderbar. Ob in Farbe, Form oder kombiniert mit Licht und anderen Materialien – der Kunststoff scheint auf seine Gestaltung zu warten.

Wer mit Naturstein oder Holz baut, wählt das Material seiner natürlichen, unveränderbaren Eigenschaften und Schönheit wegen. Wer Scobalit wählt, steht mit diesem Entscheid erst am Anfang der Gestaltung. Es zählt zu den künstlichen Materialien, deren ästhetische Eigenschaften fast von Grund auf bestimmt werden können.

Ausgangsmaterial der glasfaserverstärkten Kunstharzplatte sind Glasfäden auf grossen Spulen. Von diesen Rovings wickelt die Maschine Glasfäden ab und zieht sie über scharfe, unregelmässige Messer, welche die Fäden in kleine Stücke zerschneiden. Diese Fasern fallen dosiert, aber ungeordnet in eine Polyester-Harz-Lösung – ihre zufällige, dichte Schichtung wird später den Kunststoff verstärken. Noch weich wird die Masse über ein Form-Werkzeug gezogen und geglättet, gewellt oder nach den Vorgaben der Architekten profiliert. Möglich sei fast alles, sagte Scobalit-Geschäftsführer Richard Steger am Brownbag-Lunch in der Schweizer Baumuster-Centrale in Zürich. Allerdings muss das Profil irgendwo mit Schrauben befestigt und an einer Fassade zum Wetterschutz überlappend montiert werden können. Die gehärtete Harzplatte veredelt anschliessend eine Folie ebenfalls aus Polyester, die das Material schimmern lässt. In der jetzigen Fertigungsstrasse sind bis zu neun Meter lange Platten möglich; bei der Plattengrösse setzen also eher Transport und Montage Grenzen als die Produktion. Die Farbe wird dem Harz in Form von Pigmenten beigemischt, jede RAL-Farbe ist möglich, und ist die Rezeptur noch vorhanden, lassen sich dieselben Töne wieder herstellen, etwa für Renovationen.

Scobalit gibt es seit 1950, häufig waren zuerst aber Anwendungen im Fahrzeugbau oder für Sportgeräte, etwa für Surfbretter von Mistral. 2013 musste die Firma ihre Produktion bei Winterthur schliessen, zu wenig Umsatz; sie handelt darum heute mit Platten aus Deutschland und England. In den letzten Jahren wurde das Material weiter entwickelt, tragfähiger und feuerfester gemacht, so dass es an Fassaden und Dächern breit eingesetzt werden kann. Die Lebensdauer ist lang, wenn es regelmässig gereinigt wird, und der Quadratmeterpreis am ehesten mit Eternit vergleichbar.

Moos Giuliani Herrmann Architekten mussten beim Haus der Medizin in Neunkirch Kosten sparen, als ein Generalunternehmer das Projekt übernahm. Als Ersatz für die geplante Keramikfassade stiessen sie auf Scobalit. Mit Richard Steger und Monika Zumbrunnen von Scobalit entwickelten sie eine Platte aus  trapezförmigen Profilen. Nun schimmert die Fassade des Ärztehauses in einem warmen Rot: Das leuchtend orangene Windpapier strahlt durch die davor montierten, grauen und lichtdurchlässigen Scobalit-Platten.
Buchner Bründler Architekten wählten beim Wohnhaus Stadterle Basel ein fast schon klassisches Industriegrün für Brüstungsbänder aus Scobalit. Im benachbarten Riehen steht übrigens ein Mehrfamilienhaus von 1957, dessen grüne Balkonbrüstungen bis heute leicht und modern wirken. Am Bahnhof St. Moritz, ein Projekt von Maurus Frei Architekten, sind die neuen Perrondächer mit einem unscheinbaren, hellgrauen und transluziden Scobalit eingedeckt. Dazu mussten die Platten auf Schneelasten von 800 Kilogramm pro Quadratmeter geprüft werden. Nachts leuchten die Dachaufbauten wie Laternen im Rot der Rhätischen Bahn.

Die Beispiele zeigen die Stärke des Materials:  Seine Wandelbarkeit durch Farbe, Form, Licht, Bemalung, Beschriftung und durch die Kombination mit anderen Materialien, die es verhüllen kann. Und die Schwächen? Es ist und bleibt ein Kunststoff, der auf Rohöl basiert. Und es wirkt nicht edel, nicht klassisch, sondern eher jugendlich – was je nach Architektur und Anwendung schon wieder zu den Stärken zählen kann.

Der Brownbag-Lunch ist eine Veranstaltung der Schweizer Baumuster-Centrale Zürich.

 

 

 

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