Ein Fremdling, der sich einpasst: Zweifamilienhaus in Trogen. Fotos: Adolf Bereuter

Sinnvolle Tradition

Bernado Bader baute in Trogen im Appenzellerland ein Zweifamilienhaus, das an der Geschichte der Zellweger anknüpft.

In einem kleinen Dorf fällt ein neues Haus schnell auf. Besonders, wenn es ein niedergebranntes Bauernhaus ersetzt, das auch noch unter nationalem Schutz stand, wie in Trogen. Beraten von der Denkmalpflege lud die Bauherrschaft zum kleinen Wettbewerb. Einige Beiträge orientierten sich an den Appenzellerhäusern, andere versuchten, die Figur des Bauernhauses wiederherzustellen. Das prämierte Projekt von Bernado Bader knüpft hingegen an die Geschichte der Zellweger an. Das Handelsgeschlecht führte das Dorf ab dem 17. Jahrhundert zu Wohlstand. Beziehungen nach Lyon, Genua und Barcelona inspirierten sie zu prächtigen Palastbauten, die Trogen noch heute prägen. Enge Gassen und ein dichter Dorfkern lassen einen fast vergessen, dass man in der Schweiz ist.

Das oberste Geschoss ist gleichzeitig gemütliche Holzstube und lichtdurchfluteter Wohnraum.


Zunächst hebt sich das Zweifamilienhaus mit seiner lärchenbeplankten Lochfassade von den Nachbarn ab. Die aufmerksame Betrachterin aber erkennt die Gemeinsamkeiten mit den Zellwegerhäusern: die hohe Gestalt, ähnliche Proportionen und das allseitige Walmdach spinnen die Dorfstruktur gekonnt weiter. Besonders überzeugt habe die Bauherren, wie der Architekt sich nicht nur formal auf die Paläste bezieht, sondern auch deren Tradition weiterführe. Soll heissen: bürgerliches Wohnen in einem Haus, das nicht in der Vergangenheit verharrt, sondern neue Anforderungen aufnimmt.

Die Brücke zwischen Alt und Neu findet im Innern ihren Höhepunkt. Die holzverkleideten Wände erinnern an alte Stuben, der offene Wohnraum, der Betonkern und die eingeschobene Loggia entsprechen heutigen Wohnstandards. Jedes Möbel und Kunstwerk, ob aus der Renaissance oder der Moderne, hat seinen Platz – dafür musste sogar das eine oder andere Fenster etwas rücken. Dennoch scheinen die Öffnungen präzis gesetzt. Vom Wohnzimmer betrachtet der Bewohner das Dorf, ein Panoramafenster in der Küche lässt den Blick übers Tal bis zum Bodensee schweifen. Für die Details arbeitete der Architekt intensiv mit dem ausführenden Generalunternehmen zusammen. Am Bau zugeschnittene Holzlatten garantieren kleinstmögliche Fugen, Materialübergänge sind schwellenlos.

Hinter dem reduzierten Holzkörper steckt ein kritischer Umgang mit historischen Vorbildern. Das neue Haus des Vorarlberger Architekten ist selbstbewusst und dennoch im Dialog mit seinen Nachbarn. Ganz im Sinne der Zellweger eben.

1. Obergeschoss

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 3/2019 der Zeitschrift Hochparterre.

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