Gestern Abend schaute eine Revue im Landesmuseum zurück: 1968 mit Fokus Architektur und Städtebau. Fotos: Landesmuseum

Das grosse ‹Weisch no?›

Gestern Abend schaute eine Revue im Landesmuseum zurück: 1968 mit Fokus Architektur und Städtebau. Stadtwanderer Benedikt Loderer berichtet für Hochparterre.ch.

Ein halbes Jahrhundert ist es her, dagegen muss man etwas unternehmen. Eine Gedenkausstellung zum Beispiel. Was das Schweizerische Nationalmuseum auch pflichtgemäss tat. Selbstverständlich gehört auch ein Rahmenprogramm dazu, eine der Veranstaltungen fand am 13. Dezember statt und hiess: 1968 Fokus Architektur und Städtebau.

Aufgeführt wurde eine Revue, wörtlich, ein Rückblick, eine Nummernschau. Zuerst die alten Helden: Franz Schumacher, abgeklärt, nicht mehr bissig, Jürg Gasser, behäbig, nicht mehr agil, Leonhard Fünfschilling, altersweise, nicht mehr lernfreudig. Befragt wurden die drei von Juri Steiner, der ganz lieb war und keineswegs ein Tiefenbohrer, der Enkel befragt die Onkel, findet die seltsam, aber eigentlich in Ordnung. Was Stefan Zweifel als zweiter Moderator auf dem Podium zu suchen hatte, wusste er selber nicht. Klar jedoch war: Es gibt die sechs glorreichen Tage des Zürcher Manifests im Centre Le Corbusier. Fast hatte man den Eindruck, 1968 in Zürich habe dort stattgefunden und nicht auf der Strasse.

Die alten Helden

Durch die Sendung führte der Schauspieler Walter Küng, der Max Frisch im Gepäck hatte, was mit dem Zürcher Manifest begründet wurde. Frisch, so machte es den Eindruck, ist der Schutzpatron der Achtundsechziger, der profanheilige Max.

Philip Ursprung, die nächste Programmnummer. Er versuchte aus Tilla Theus etwas zum alle bewegenden Volksaufstand von damals zu entlocken. Sie widerstand tapfer. Sie hatte damals kaum das Diplom in der Tasche und baute. Vor ihr baute sich der männliche Widerstand auf. Ach ja, wir erinnern uns, das mit den Frauenrechten, Frauenstimmrecht als Stichwort, das war ja bloss ein Nebenwiderspruch, der nach der Revolution sich ganz von selber auflöst. Tilla Theus ging daran, ihn ganz persönlich und selbstständig zu beseitigen. Aus England importiert kam Jörn Janssen, die Legende. Er hatte den Marxismus (Mehrwerttheorie, remember?) in der ETH eingeführt, das hiess, forschendes Lehren (oder Lernen?). Es wurde als Fussnote ein Stück Film gezeigt, worin man den schönen Mann Janssen von damals sah, etwas Brando, etwas Baader und jetzt den Grossvater. Aber er blieb dabei: Der Architekt ist kein Dirigent, kein Demiurg, er ist ein Bauleiter. Janssen sagte: Kein Architekt baut, der plant nur.

Philipp Ursprung, Jörn Janssen, Tilla Theus

Nächste Runde, Tischgespäche, biografisch. Der Befragte sitzt schon dort und der Befrager kommt zu ihm. Andreas Müller (Sambal Olek) zuerst. Er zerzauste dem Max den Heiligenschein. Für uns, erklärte er, war Frisch einer von den Alten, ein Technokrat von der Sorte, die wir bekämpften. Neue Stadt, statt Expo 64? Eindimensionaler Ersatz für den neuen Menschen. Müller war leninistischer Revolutionär, kein Verteidiger des Rechtsstaats. Monika Spring, auch sie Maoistin, schilderte, wie sie als mitbewegte Beobachterin zur mitgerissenen Bewegten wurde. Sie erinnerte an das Urerlebnis des studentischen Aufbruchs, ans Referendum gegen das ETH-Gesetz, das die Studis gegen den eingeübten eidgenössichen Brauch gewonnen haben. Da fing das Erwachen an. Alexander Henz hatte sein Erweckungserlebnis bereits 1955 als er in einer WG lebte. Er und die seinen wollten nicht drei Jahre Professor Hess erdulden, nicht Architektur lernen im Dreisprung Gartenhaus, Pförtnerhaus, Landhaus. Etwas seltsam ist es heute, dass Henz Alfred Roth als Professor ins Gespräch brachte. Lässt man den bedauerlichen Geisendorf beiseite, so war doch Roth ein perfekter Vertreter des Establishments: CIAM-Moderner, Funktionalist, Vorkriegsware.

Caspar Schärer, Angelus Eisinger, Sabine Wolf

Ja und dann doch noch: Lernen von 68. Caspar Schärer redete mit Angelus Eisinger, Direktor RZU und Sabine Wolf, Mitkämpferin Kalkbreite. Nun, was bleibt? Wolf brachte es auf den Punkt: Selber eine Stimme finden. Die Autorität in Frage stellen. Professoren, Regierungsräte und Investoren sind Träger des Systems und als die muss man sie behandeln. Das ist es, was wir gelernt haben. Haben wir es schon wieder vergessen?

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Kommentare

u.oehme 18.12.2018 09:29
ich hatte mir von der veranstaltung mehr erhofft , so war der slogan " unter den talaren der muff von 1000 jahren" plötzlich wieder präsent- gefehlt hat mir persönlich der bezug zur gegenwart. das aber nur als subjektiver eindruck. Enttäuscht hat mich jansen mit seinem statement ,dass in london die grundstückspreise ursache der städtebaulichen misere seien-68 hätte er bestimmt noch diagnostiziert, exorbitante grundstückspreise sind die symtome , nicht die ursache.
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