Die Schönheit der Nidwaldner Tradition in Form einer Schindelfassade: Bauernhaus in Oberdorf, Nidwalden

Wohnen in der Tradition

Wie die Vergangenheit und die Gegenwart miteinander harmonieren können, zeigt sich im traditionellen Holzbau in Nidwalden, schreibt die Innenarchitektur-Studentin Mirjana Dordevic in ihrem Campus-Beitrag.

Hinter dem Metallgerüst versteckt steht das alte Bauernhaus im Oberdorf. Der Umbau ist bald zu Ende. Die Handwerker machen die letzten Anpassungen und bereiten das Haus auf seine nächsten Bewohner vor. Die neue leuchtende Schindelfassade lenkt den Blick vom Metall zum Holz und zeigt die Schönheit der Nidwaldner Tradition. Im Hof fliesst ein kleiner Bach in Richtung der alten Scheune, die noch als einzige die Spuren der Zeit auf sich trägt. Im Kontrast dazu wirkt das Haus lebendig und lädt ein, den Innenraum zu erforschen.

Vor der Besichtigung erklärt uns der Architekt seine Vorgehensweise: Beim Umbau der alten Bauernhäuser sei es unmöglich, ein Konzept für das ganze Haus zu erstellen. Jeder Raum verlange nach einer Spezialbehandlung und nach einem eigenem Konzept. Das beansprucht viel Zeit und Geduld. Häuser wie dieses denkmalgeschützte verlangten noch mehr Respekt. Denn es sei wichtig, die Tradition zu pflegen, damit auch die neuen Generationen von ihrer Schönheit profitieren können.  

Erst nach dem Betreten des Hauses verstehe ich, was Wohnen in der Tradition heisst: Die niedrigen Räume, die engen Raumdimensionen und das Holz als Hauptmaterial drücken von jeder Seite. Im Erdgeschoss wurde nichts umgebaut, nur das Dringendste repariert. Es ist klein, eng und dunkel. Doch es ist auch faszinierend. Ein Wunder, dass der unebene Boden noch hält und dass der gebogene Unterzug nicht bricht. Eigentlich kein Wunder, sondern eine Qualität des traditionellen Handwerkes. Nicht nur die Handwerkskunst macht das Haus speziell, es ist auch die Geschichte, die dem Haus die Seele gibt. Der grüne Kachelofen mit der Feuerstelle im Gang und das eingebaute Büffet in der Stube zeugen vom Lebensstil im 19. Jahrhundert. Die schmale und steile Holztreppe, die ins Obergeschoss führt, würde man heute als gefährlich bezeichnen. Doch ihr Charme kompensiert den fehlenden Komfort und ermöglicht die weitere Besichtigung. Wie auf einer Zeitreise durchschreite ich die schmalen Gänge und entdecke die Kammern auf der anderen Seite. Hier erkenne ich zum ersten Mal deutlich die Anpassungen und Änderungen. Die vier kleinen Kammern wurden zusammengefügt und bilden drei attraktive Räume. Das schmale Bad befindet sich im frontalen Anbau, gegenüber dem Laubengang. Im Dachgeschoss, wo früher vermutlich nur eine Lagerfläche war, trifft man auf zwei weitere Räume. Durch die Dachneigung entstehen hier spannende Räumlichkeiten, die mit zwei angebauten Lukarnen die nötige Raumhöhe erreichen. Die grossen Fenster gewährleisten die natürliche Beleuchtung.

Obwohl die Räume noch leer sind, regen sie die Vorstellungskraft an. Ich stelle mir vor, wie sie damals genutzt wurden, und suche gleichzeitig nach einer Lösung für die heutige Nutzung. Ich suche nach einer Harmonie zwischen den Zeiten. Zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart.

close

Kommentare

Andreas Konrad 17.05.2019 20:32
« Ich suche nach einer Harmonie zwischen den Zeiten. Zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. » . Dieser richtige Satz könnte auch vom Altmeister des Städtebaus , Herrn Lampugnani stammen . Die nächste Generation der Bauenden steht in den Startlöchern , und sie verharrt nicht mehr wie die heutigen Lehrmeister im unbeirrten Blockdenken der Nachkriegsmoderne , sondern ist , wie es scheint , in der heutigen Zeit angekommen .
Andreas Konrad 17.05.2019 20:32
« Ich suche nach einer Harmonie zwischen den Zeiten. Zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. » . Dieser richtige Satz könnte auch vom Altmeister des Städtebaus , Herrn Lampugnani stammen . Die nächste Generation der Bauenden steht in den Startlöchern , und sie verharrt nicht mehr wie die heutigen Lehrmeister im unbeirrten Blockdenken der Nachkriegsmoderne , sondern ist , wie es scheint , in der heutigen Zeit angekommen .
Kommentar schreiben