Mit dem geriatrischen Simulationsanzug ‹Gert› testete die Innenarchitekturstudentin Franziska Scheuber die Arbeit ihrer eigenen Firma im Seniorenzentrum Zwyden in Hergiswil. (Foto: Nicole Hartmann)

Wenn die Welt kleiner wird

Mit dem geriatrischen Simulationsanzug ‹Gert› testete die Innenarchitekturstudentin Franziska Scheuber die Arbeit ihrer eigenen Firma im Seniorenzentrum Zwyden in Hergiswil.

Mühsam stehe ich auf. Mein Rücken fühlt sich steif an, meine Beine sind schwer. Die Geräusche um mich herum dringen nur dumpf zu mir durch. Mein Blickfeld ist auf wenige Meter begrenzt und die Farben um mich herum haben an Kraft verloren. Ich setze einen Fuss vor den anderen und kann nur schwer mein Gleichgewicht zu halten.

So fühlt es sich an, wenn ich mit dem geriatrischen Simulationsanzug ‹Gert› der Hochschule Luzern das Seniorenzentrum Zwyden in Hergiswil besuche. Im vergangenen Jahr hat unsere Firma dort die Raumgestaltung und das Gestaltungskonzept der Gemeinschaftsräume geplant und umgesetzt. Mit ‹Gert› konnte ich die neue Innenarchitektur auf ihre Wirkung aus Sicht der Bewohner und Bewohnerinnen überprüfen.

Franziska Scheuber testet den geriatrischen Simulationsanzug ‹Gert›.

Der Simulationsanzug schränkt die sensorischen Fähigkeiten ein und ermöglicht dadurch, die Lebenssituation und körperlichen Voraussetzungen betagter Menschen nachzuempfinden und zu verstehen. Meine erste grosse Hürde war das Sehen. Durch die Simulationsbrillen, die verschiedene Veränderungen und Krankheiten der Augen nachahmen, wurde mir bewusst, wie essentiell die Kontraste im Raum sind. Fehlen diese, beispielsweise in langen Gängen, wo die Wand-, Boden- und Deckenfarbe ähnlich sind, kann ich mich kaum orientieren. Eine klare Differenzierung der Elemente durch ihre Struktur, Farbe oder Materialität hilft mir zu erkennen, wo sie sich im Raum befinden und welche Funktion sie haben. Durch das begrenzte Blickfeld und die Einschränkungen des Bewegungsapparats erstreckt sich meine Welt auf nur wenige Meter. Mit ‹Gert› kann ich nur kurze Distanzen angenehm zurücklegen und ich bin dankbar für jede Sitzgelegenheit. Licht ist ein weiteres Element, das die Orientierung massgeblich unterstützt. Ist zu wenig Licht vorhanden, kann ich Details wie Lichtschalter kaum erkennen. Durch den Anzug erlebe ich hautnah, dass ältere Menschen mehr Licht für die gleiche Sehleistung brauchen als jüngere.

Im Seniorenzentrum Zwyden helfen kontrastreiche Farben und Materialien den Bewohnerinnen und Bewohnern sich zu orientieren. (Foto: Philipp Klemm)

Im Seniorenzentrum Zwyden zeigen kontrastreiche Farben und Materialien den Bewohnerinnen und Bewohnern, auf welcher Höhe sie sich hinsetzen können und wie tief ein Sitzelement ist. Die Polstermöbel verfügen über angepasste Sitzhöhen, steile Rücken und breite Armlehnen, damit die Menschen selbständig aufstehen können. Ihre Formsprache und ihr Kontrast zur Wand helfen, die Sitznischen von weit her zu erkennen. Transparente Vorhänge verhindern Spiegelungen auf Glasflächen und stärken das Raumgefühl. Die Einbaumöbel wurden dunkel gebeizt um den Kontrast zu erhöhen und die herabgesetzten Akustikspanndecken erschaffen einen wahrnehmbaren Unterschied zwischen den Bereichen.

Im Seniorenzentrum Zwyden helfen kontrastreiche Farben und Materialien den Bewohnerinnen und Bewohnern sich zu orientieren. (Foto: Philipp Klemm)

Der Simulationsanzug ‹Gert› hilft, die spezifischen Bedürfnisse von Seniorinnen und Senioren nachzuempfinden und zu erkennen. Die Innenarchitektur und die Raumgestaltung können diese Erkenntnisse nutzen und die Menschen in ihrem Alltag unterstützen.

Franziska Scheuber testet den geriatrischen Simulationsanzug ‹Gert›.

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