Musik, Raum und Szenografie
Musik- und Innenarchitektur-Studierende der HGK Basel schufen gemeinsam die Raum- und Klanginstallation ‹Überläufer*› für das Festival ‹ZeitRäume›.
Ende September 2019: Vor der Zollhalle des Bahnhofs St. Johann trifft das Publikum ein. Bereits im Aussenbereich beginnt die Performance: Die Besucherinnen und Besucher werden in zwei Gruppen aufgeteilt, erhalten umhangartige Kostüme und betreten durch zwei getrennte Eingänge die Halle. Zwischen transparenten Wandelementen und kreisförmig angeordneten Vorhangbahnen halten sich bereits Menschen in der gleichen Kleidung auf. Sie sind auf ihre Smartphones fokussiert, aus denen Textfragmente wie geisterhaftes Wispern ertönen. In der Hallenmitte thront ein monolithischer, grauer Würfel, der mit Zaunelementen verkleidet ist. Er ist das einzige statische Objekt in einer Inszenierung, die sich ständig wandelt. Die Gäste mischen sich unter die Musikerinnen und Schauspieler. Die Grenze zwischen Performenden und Publikum verschwimmt. Ein Netz aus Projektionen und Videoaufnahmen verbindet die unterschiedlichen Ebenen der Aufführung. Die mit Folien bespannten Wände fangen die Reflexionen der Beleuchtung ein und zerschneiden die Ströme der Besucherinnen und Besucher. Die Verhänge raffen und öffnen sich und schaffen so permanent neue Zwischenräume, die sich genauso schnell wieder auflösen.
Anfang März 2019 besuchten wir Szenografie-Studierenden ein Konzert der Masterstudierenden der Musikhochschule und machten uns mit der für uns abstrakten Musik vertraut. Mit dem akustische Erlebnis startete der gemeinsame Kreationsprozess. Als erstes recherchierten wir zum Thema Migration und anderen Kernbegriffen der geplanten Inszenierung. Fünf Teams entwickelten eigenständige Konzepte und präsentierten sich diese gegenseitig. Die Ideen wurden hinterfragt, angepasst und so zunehmend konkreter. Damit wir den gesamten Raum bespielen konnten, mussten wir die fünf Konzepte zusammenbringen und Kompromisse finden. Wir diskutierten gemeinsam und nahmen die notwendigen Änderungen vor.
Nach der Sommerpause begannen die Teams, die Einzelteile in den Werkstätten der HGK herzustellen. Wir versägten Holz, bogen Metall und nähten Stoffe zusammen. Die fertigen Elemente bauten wir in der Halle auf. Die Fläche erschien uns anfangs riesig – bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir ja lediglich theoretisch und in verkleinertem Massstab gearbeitet. Wir waren den gesamten Sommer beschäftigt: überlegen, überholen, übermalen, überhängen, überbrücken – überfordert. In knapp sechs Monaten erschufen wir gemeinsam einen komplett neuen Raum. Mit dem Raum veränderten und entwickelten sich auch alle Beteiligten. Seien es handwerkliche, zwischenmenschliche oder konzeptionelle Fähigkeiten − alle wurden beansprucht, erlernt und teils sogar etwas überstrapaziert.
* Celine Müller und Loris Aebli studieren gemeinsam im dritten Semester Innenarchitektur und Szenographie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel.