Mein Pinboard – respektive mein Kleiderschrank.

Bachelorarbeit zwischen Kleiderschrank-Pinboards und Zoom

Im Homeoffice werden vom Bürostuhl aus Freundschaften gepflegt und das Projekt vorangetrieben. HSLU-Studentin Sureja Redzic erzählt, wie Bachelorarbeit und Corona zusammenkommen.

Statt dem Besuch auf dem Spinnereiareal in Wetzikon stand ein virtuelles Treffen über Zoom an. Aus der Besichtigung vor Ort wurde eine Foto-Strecke der Räumlichkeiten des ehemaligen Baumwollmagazins auf Ilias. Mir war es am Starttag der Bachelorarbeit etwas mulmig zu mute: Wie sollte ich das Projekt allein von zu Hause aus konzipieren ohne direkten Austausch mit meinen Studienkollegen?

Ich versuchte alle Informationen über die Fotos zu sammeln, doch irgendwie konnte ich mir den Raum in seiner Gesamtheit nicht so vorstellen. Das Areal in eigenem Tempo zu durchschreiten und es auf sich wirken lassen, macht doch einiges aus. Zugegebenermassen hatten die Umstände den netten Nebeneffekt, dass wir keine Massaufnahmen vor Ort machen mussten, sondern uns die Pläne zur Verfügung gestellt wurden.

Im Homeoffice wird der Bürostuhl zum Zentrum, von wo aus Freundschaften gepflegt und das Projekt vorangetrieben wird.

Während des Lockdowns kam noch mich mein neues, unfreiwilliges Arbeitsumfeld hinzu. Ich musste Struktur in mein Home-Office bringen und stellte mein Zimmer auf den Kopf. Plötzlich beschäftigte mich, wie ich mich einrichte, damit bei den Zoom-Calls nicht der ganze Hausstand im Hintergrund zu sehen ist. Da kam mir der Zeitplan der Dozenten gelegen, so hatte ich während der Besprechungen meiner Kommilitonen Zeit, mein Skizzenchaos und den Kleiderberg ausser Sichtweite der Kamera zu schieben. Zusätzlich verriegelte ich die Tür und hängte ein Post-It auf, damit es nicht zu ungeplanten Auftritten meiner Familie oder einem erneuten Duett zwischen meiner Schwester und dem Staubsauger im Flur kam.

Wenn schon die Znüni-Pause in der Mensa und der Kaffee im Atelier fehlte, waren wir online ständig im Kontakt. Neben Vectorworks war Whatsapp auf dem Laptop im Dauerbetrieb. Ich war umso mehr auf die Meinung meiner Kollegen angewiesen, alleine kam ich nicht so wirklich vorwärts. Das lag nicht daran, dass ich nicht konstant am Projekt gearbeitet habe – sondern gerade deswegen. Entscheidungen im Projekt zu fällen und einen Schlussstrich unter die verschiedenen Etappen zu ziehen, brauchte mehr Willen wie gewohnt, denn man hatte ja sonst nicht viel zu tun.

Dies hatte unerwartet etwas Befreiendes für mich. Ich hatte keine Termine oder sonstige Verpflichtungen und musste auch nicht die einstündige Fahrt zur Schule einplanen. Irgendwie bin ich in eine Art Arbeitstrance gesunken. Mir kamen beim Planzeichnen ständig neue Ideen in den Sinn, jede Ecke im Raum hinterfragte ich kritisch. Es fiel mir nicht schwer, stundenlang an einer Lösung rumzutüfteln oder mitten in der Nacht aufzustehen, um noch schnell eine Skizze auf mein Pinboard – respektive meinen Kleiderschrank – zu kleben. Obwohl der Weg zum Bett nicht weit war, ist mein Schlafrhythmus vollkommen ausser Kontrolle geraten.

Mein Pinboard – respektive mein Kleiderschrank.

Diese intensive Zeit hat viel zu meinem Projekt beigetragen. Ich konnte das Konzept immer wieder anzuzweifeln und überarbeiten. Mein Bürostuhl wurde zum Zentrum, von wo aus ich Freundschaften pflegte, mein wohl letztes Studentenfutter ass und vollends in das Projekt eintauchte. Paradoxerweise kehrte Ruhe und Routine in meinen Alltag ein, trotz der völlig neuen Situation und dem Stress, den ich um die Arbeit spürte.

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