Interventionen an der Grenze zwischen Jurakarst und Lehm.

Topografische Interventionen gegen Hochwasser

Viral Mehta und Antonina Nikolic machen den Master in Landschaftsarchitektur an der ETH Zürich. Im Entwurfsstudio von Martina Voser haben sie sich mit Hochwasser und Überschwemmungen in Biel beschäftigt.

‹Wasser in Biel› lautete das Thema der international zusammengesetzten Entwurfsklasse im Masterstudiengang der Landschaftsarchitektur an der ETH Zürich. Die Stadt Biel liegt am Ende des Bielersees und breitet sich weit in der Ebene aus. Voraussetzung dafür waren die sogenannten Juragewässerkorrektionen in den Jahren 1868 bis 1891 beziehungsweise 1962 bis 1973, welche die Aare in den Bielersee umleiteten und die Region des Seelands zur Wasserschneide der Schweiz machten. Durch das Geschick der Ingenieuren konnte so der Wasserlauf des ganzen Mittellands kontrolliert werden.


Analysekarte

Diagramm der Wasserstände

Trotzdem war Biel in den letzten Jahren wegen extremen Wetterlagen und schmelzender Gletscher einem höheren Wasserzuflusses ausgesetzt. Der See und die Kanäle der Schüss, die sich durch Biels Zentrum ziehen, verursachten regelmässig Hochwasser und Überschwemmungen. Das Entwurfsstudio von Martina Voser gab uns Studierenden die Aufgabe, eine Vision zu erarbeiten, welche mit der Komplexität des Wassers in Biel umgeht und gleichzeitig den Bewohnerinnen und Bewohnern einen städtischen Mehrwert schafft. In unserer Recherche haben wir herausgefunden, dass Biel genau an der Grenze zwischen dem steilen Hang des karstigen Jura und dem lehmigen Boden des Seelandes liegt. Genau dort, wo der ehemalige Uferrand des Gletschersees verlief, finden wir heute die höchste Ansammlung an Oberflächenwasser. Diese Situation ist vor allem spannend im Kontext der vergangenen Hochwasserereignisse in Biel, als der angesammelte Niederschlag die Kanäle der Stadt überflutet hat. Unsere Vision fokussiert sich auf den Übergang der zwei Geologien Kalkstein und Lehm, wo die steile Felskante auf die Ebene trifft. Wir wollen mit unserem Projekt Möglichkeiten aufzeigen, wie mit dem Abfluss des Oberflächenwassers an dieser Kante produktiv umgegangen werden kann. Wir schlagen dafür Interventionen auf drei verschiedenen Ebenen vor.

Die erste topografische Intervention findet am Hang statt, wo wir durch lineare Elemente, den schnell hinabfliessenden Niederschlag verlangsamen, bevor er auf die Ebene trifft. Die zweite Interventionsebene breitet sich entlang der Felskante aus und zeichnet sich durch Vertiefungen im Terrain aus, welche das abfliessende Wasser auffangen und speichern. In unserer Vision sind diese Vertiefungen Teil einer grünen Freizeitzone, welche die Felskante erlebbar macht.


Gesamtplan

Die Vertiefungen haben wir strategisch an den Orten gesetzt, an denen sich das meiste Wasser an der Felskante ansammelt. Sie sind alle durch einen Spazierweg verbunden und ziehen sich entlang der Felskante hinauf oder hinab. Abhängig vom städtischen Kontext reagieren die Zonen ‹Wasser›, ‹Ökologie› und ‹Freizeit› auf den denkmalgeschützten Bestand. Stark frequentierte Abschnitte sind direkt an den Weg angeschlossen und ihre Vegetation ist offener gestaltet. Ruhige Abschnitte sind nur durch sekundäre, informelle Wege erreichbar. Die Vegetation hier ist enger und durch Hecken intimer gestaltet. Die dritte Interventionsebene verläuft entlang der im Westen gelegenen Hauptstrasse. Sie wird vor allem wichtig in Momenten von Starkregen, wenn das überlaufende Wasser aus den Vertiefungen in einer erweiterten Rinne entlang der Strasse weggeführt wird und in den See mündet. Damit können die bestehen Kanäle entlastet werden und das Wasser wird an der selben Stelle in den See geleitet, an der die Schüss früher in den Bielersee mündete.

Für uns war es wichtig, dass die topografischen Interventionen in sich einheitlich sind, indem alle Elemente der gleichen Formsprache folgen und aus dem gleichen Material bestehen. Als Landschaftsarchitektinnen noch wichtiger war uns, nicht nur neue Infrastrukturen vorzuschlagen, sondern diese für die Besucher auch erlebbar zu machen. So können die Stufen im Hang nicht nur das abfliessende Wasser verlangsamen, sondern auch Momente des Weitblicks schaffen, vor allem wenn sie mit bestehenden Wanderrouten verbunden sind. Gleiches gilt für die Vertiefungen an der Felskante: wir sehen sie nicht nur als eine Infrastruktur, die das Wasser bei Starkregen aufhält, sondern auch als wichtige schatten- und feuchtigkeitsspendende Orte, die durch den verbindenden Weg ein neues Erholungsgebiet schaffen.


Ein Spazierweg verbindet die Interventionen zu einer grünen Freizeitzone.

Zoom auf die einzelnen Interventionen

 
Unser Projekt stellt die Frage, welche Wasserläufe wir kontrollieren können und welche ausserhalb unserer Kontrolle liegen. Wir schlagen einen Zwischenraum vor, der an einer strategisch passenden Stelle – am Fuss des Gebirges – gesetzt wird und sich der städtebaulichen Lage und der vorhandenen Wassermengen entsprechend verbreitert oder verschmälert. Zusammen mit den parallel zur Felswand verlaufenden Zonen, setzten wir den Rahmen für einen dynamischen Raum, der vom Wasser eingenommen, aber auch von Biels Bewohnerinnen und Bewohnern genutzt werden kann. Wir wollen aufzeigen, dass Infrastrukturen nicht nur ein Problem lösen, sondern im Zusammenspiel weitere Qualitäten für die Stadt und die Ökologie bieten können. Als zukünftige Landschaftarchitektinnen hatten wir grosse Freude, diese Vision für Biel zu erarbeiten und dieses Dazwischen neu zu denken.


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