Wer hat welche politische Teilhabe? Fotos: Henriette Lutz

Spazierend die Stadt erfahren

Studierende aus unterschiedlichen Fachbereichen der Berner Fachhochschule spazierten durch Bern, um herauszufinden, ob die Stadt für alle gleichermassen nutzbar ist. Caroline Stauffer berichtet im Campus.

Was würden Sie denken, wenn Sie eine Gruppe von zwanzig Studierenden schweigend durch die Stadt spazierend sehen? Genau das war nämlich unsere erste Aufgabe im interdisziplinären Wahlmodul ‹Strollology›. Die Strollology – zu deutsch Promenadologie oder Spaziergangswissenschaft – wurde in den 1970er-Jahren von Annemarie und Lucius Burckhardt entwickelt. Es geht darum, die eigene Umgebung beim Gehen bewusst wahrzunehmen und durch die neu gewonnenen Eindrücke das Handeln zu reflektieren. Im oben genannten Beispiel taten wir das, indem wir uns entgegen dem vorgefertigten Bild in den Köpfen der Menschen verhielten. Dadurch wurden wir für andere sichtbar und fingen einige neugierige Blicke ein.


Gehen und Zeichnen

Reflexion im öffentlichen Raum

Leben neben dem neuen Stadteilpark

Spazieren

Sich im öffentlichen Raum frei bewegen zu können, ist ein Privileg, das noch immer nicht alle Menschen besitzen. Durch sogenannte ‹Defensive Architektur› werden zum Beispiel Obdachlose bewusst aus dem öffentlichen Raum verbannt. An manchen Orten gibt es nur einzelne Stühle anstelle von Bänken, während anderswo Bänke so konzipiert werden, dass ein längerer Aufenthalt unbequem wird. In der gesamten Stadt Bern gibt es unzählige Beispiele defensiver Architektur, wie wir im Rahmen des Moduls beobachten konnten.

Als Teil des Kurses besichtigten wir den neuen Stadtteilpark Holligen und die 2021 fertiggestellte Wohnüberbauung Huebergass im Quartier Mattenhof-Weissenbühl. Dabei konnte ich als Architekturstudentin durch den Austausch mit Studierenden aus dem Departement Soziale Arbeit wertvolle Anregungen mitnehmen. Während ich vor allem den Kontext und die gestalterischen Aspekte der Überbauung betrachtete, fokussierten sich meine Kommilitoninnen auf die sozialen Aspekte. Die Auslagerung des offenen Treppenhauses hatte beispielsweise für mich bauphysikalische Vorteile, da weniger Fläche beheizt werden muss. Die volle Bedeutung des Ortes für die Bewohnerschaft wurde mir erst im gemeinsamen Gespräch bewusst. Es ist schön zu sehen, wie rege die Erschliessungsräume genutzt und individuell gestaltet werden.


Defensive Architektur (Foto: Stefanie Sarah Kaeser)

Fragen stellen (Foto: Jonathan Merz)

Als angehende Architektin habe ich den Anspruch, unseren Lebensraum mitzugestalten, damit nicht nur qualitativ hochwertiger Wohnraum, sondern auch ein Ort der Zusammenkunft entsteht. Um das zu erreichen, lohnt es sich neue Perspektiven kennenzulernen, wozu die Spaziergangswissenschaft spannende Ansätze bietet.

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