Gerücht: «Vor dem Abriss gab es eine coole Party in dem Pavillon.» Fakt: Aus Sicherheitsgründen ist jede Tätigkeit an und in den Pavillons verboten. Huber Pavilion während des Abbaus, 2022, (Photo: Elias Knecht)

Pavillon, leerstehend, sucht...

Die Huber-Villiger Holzpavillons aus den 1990ern auf Campus Hönggerberg der ETH sind einem Neubau gewichen. Architekturstudent Elias Knecht erzählt, was mit den Pavillons geschehen ist.

Das Departement Architektur (D-ARCH) trauert den schönen Räumen nach, in denen über Generationen hinweg architektonisches Wissen an der ETH gelehrt, geprägt, erinnert und verkörpert wurde. Ehrfürchtig betrachten wir das jähe Ende einer jahrzehntealten Architektur. Und obschon wir uns auf Neues freuen, erkennen wir den wahren Wert eines Raumes doch erst bei dessen Verlust. Wir fragen uns: Wie erhält man ein Bauwerk? Oder dessen Wert, Raumtypologien, Materialien und Lehrmethoden? Der Rückbau der Pavillons wurde vollbracht, und dennoch wird weiterhin von ihrer Baumasse gelernt. Wir fragen uns: Wie reduziert man die horrende Mengen an jährlich im Bau anfallenden Abfällen in der Schweiz? Und wie kann der Umgang mit natürlichen Ressourcen ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig geschont werden?


Huber Pavilion auf useagain.ch, 2022. (Photo: Elias Knecht)

Gerücht: «Einer der Pavillons wurde in Portugal als Hühnerstall wieder aufgebaut.» Der Huber Pavillon während des Rückbaus, 2022 (Photo: Elias Knecht)

Gerücht: «Ein ehemaliger ETH-Student wollte einen Pavillon mit seinem Pick-Up Truck abholen.» Fakt: Der Bau aller drei Pavillons hat Anfang der 1990er insgesamt 5’160’300 CHF gekostet. Der Huber Pavillon während des Rückbaus, 2022. (Foto: Elias Knecht)

Eine Antwort finden wir in der Idee der Wiederverwendung, denn dieses Konzept begleitet die Menschheit bereits seit ihren Ursprüngen. Wir fragen uns: Welche Bauteile kann man auf welche Weise wiederverwenden, erhalten und gar aufwerten? Physische Artefakte manifestieren nicht nur die Nostalgie nach vergangener Größe, gewisse Bauteile sind schlicht einwandfrei. Die Summe der wiederverwendeten Teile übertrifft den ökonomischen Wert eines ursprünglichen Objektes bei weitem. Denn das Wiedereinsetzen von Bauteilen übermittelt den Wert der Langlebigkeit und erspart das Beschaffen neuer Baustoffe. Die Erhaltung einer Spolie umfasst neben dem eigentlichen Materialwert auch noch dessen Geschichte, Eigenschaften und Charakter.


Gerücht: «Beim Rückbau wurde der Fund eines Fuchs-Skelett verheimlicht, damit es nicht zu archäologischen Ausgrabungen und Verzögerungen beim Bau kommt.» Fakt: Beim Rückbau der wurde ein toter Fuchs entdeckt. Fassade beim Abbau, 2022. Foto: Elias Knecht

Gerücht: «Studierende trafen sich an einem Samstag, um möglichst viele Fenster auszubauen.» Fakt: 29 Fenster mit Rahmen sind auf dem Weg in die Ukraine. Fensterlaibung am Huber Pavilion, 2022. (Photo: Elias Knecht)

Gerücht: «Teile der Huber Pavillons werden an der nächsten Biennale verwendet.» Fakt: Einzelteile der Pavillons werden in rund 20 Projekten schweizweit wiederverwendet. Collage, Abholung von Bauteilen der Huber Pavillons, 2022. (Photo: Elias Knecht)

Am 25. September 2022 hat die Zürcher Stimmbevölkerung mit fast 90 Prozent eine Initiative für die Änderung der Kantonsverfassung angenommen, die eine Kreislaufwirtschaft befürwortet und somit graue Energie schont. In den Wochen zuvor erlebte die ETH beispielhaft, wie die Wiederverwendung im Bau aussehen kann. Der Kanton und die Stadt Zürich hatten auf Anfrage kein Interesse an den Pavillons gezeigt, also wurden private Abnehmer für Bauteile über die Plattform useagain.ch ausfindig gemacht. Ebenfalls wurden mehrere ETH-interne Forschungsprojekte mit Materialien aus den Pavillons gespeist. Das Re-use am eigenen Bestand erlaubt das Erforschen von Fragen der Durabilität und Nachhaltigkeit aktueller Bauprozesse.


Wiederverwendete Gitter- Balustraden aus den Huber Pavilions in der Zentralwäscherei Zürich, 2022. (Photo: Pascal Beutler)

Wiederverwendete Treppe der Huber Pavillons in der Kunstgiesserei St. Gallen, 2022. (Foto: Lukas Furrer)

Wiederverwendete Metall-Balustrade und Holz der Huber Pavillons für die Genossenschaft Stadtufer. (Foto: Tobias Häusermann)

Alle Bauteile, welche die beauftragte Baufirma unter Zeitdruck retten konnten, wurden innerhalb von zwei Wochen verteilt.  Doch dies war nur ein Bruchteil von dem, was verwertet hätte werden können. Die Pavillons erwiesen sich in ihrer Ausführung und Planung jeweils unterschiedlich. An manchen Stellen wurde genagelt und geleimt, was eine Wiederverwendung der Elemente aus Zeitgründen verunmöglicht. Die Kosten für dieses Pilotprojekt wurden von der ETH und somit von den Schweizer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler getragen. Die Baumaterialien der Pavillons wurden von der ETH umsonst zur Verfügung gestellt, einzig der Transport musste privat finanziert werden. Dies hat es (ehemaligen) Architektur-Studierenden und Low-budget Initiativen ermöglicht, (Lehr-) Materialien zu erlangen, die man sonst nicht bezahlen hätte können.

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Kommentare

Andreas Konrad 23.10.2022 15:14
Die « white pavilions » verliehen dem gestrengen Campus ein wenig südländische Fröhlichkeit. Deren Abriss ist ein Frevel. Sie waren Zeugen der Zeit, wo sich der laute, sympathische Unernst der Postmoderne in eine heitere, ein wenig zurückhaltendere Form niedersegelte. Weiss, offene Konstruktion und zahlreiche Reminiszenzen prägten die formenreichen Bauten, wo « schön » und « symmetrisch » noch nicht zum Schimpfwort verkommen waren. Ein wahrlich poetisches Meisterwerk ! Der Abriss steht für eine Zeit, wo Materialdichte, Wärmedämmung und « Nachhaltigkeit » das Zepter übernommen haben. Es geht um Effizienz, « grüne » Wirtschaft und sonstigem religiösen Kram. Die ästhetisch wenig geschulte Bauabteilung der Sparkasse hat übernommen, unterstützt vom grünpolitisch - verkopftem Arm der Verwaltung. Es entstehen seelenlose Kästen, die zwar der Minergie - Norm entsprechen, aber auch eine zivilisatorische Verwüstung aufzeigen, die das ganze ästhetische und kulturelle Rüstzeug der letzten 2000 Jahre über Bord wirft. Wir erleben in diesen Zeiten nichts weniger als den Tod der Architektur. Zumindest in der Schweiz.
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