Mit 83 Prozent angenommen: das Fachsemester.

Ja zum Fachsemester

Das Fachsemester schliesst im Architekturstudium die Lücke zwischen Theorie und Praxis. Der Fachverein architektura und 650 Studierende der ETH Zürich haben sich für seinen Erhalt eingesetzt.

Im Herbstsemester 2020 wurde am Departement für Architektur der ETH Zürich das Fachsemester als temporäres Experiment eingeführt. Es soll eine Alternative zum vertrauten Entwurfstudio der Masterstudierenden bieten. Das Angebot ermöglicht den Studierenden sich während eines Semesters intensiv mit theoretischen Themen der Architektur auseinanderzusetzen und dafür die gleiche Anzahl Kreditpunkte wie für ein gewohntes Projekt am Institut für Entwurf und Architektur zu erhalten.

Gleichberechtigung, Nachhaltigkeit, Diversität
Die Testphase läuft seit drei Semestern und nun sollte die Departementskonferenz darüber abstimmen, ob das Fachsemester weitergeführt wird. Neben sehr positiven Rückmeldungen der Studierenden, gab es von Seiten Lehrenden auch kritische Kommentare. So schwäche das Angebot den Fokus der Ausbildung, der auf dem praktischen Entwerfen liege. In den ersten drei Semestern nahm erst eine kleine Anzahl Studierende das Angebot wahr, was aber sicherlich auf das begrenzte Platzangebot und die Unbekanntheit des neuen Angebots zurückzuführen ist. Auf jeden Fall steigt das Interesse der Studierendenschaft nun stetig. Ebenfalls ist das Fachsemester für verschiedene Arbeitsgruppen am D-ARCH interessant, da Themen wie Gleichberechtigung, Nachhaltigkeit, Diversität und dekoloniale Architektur für einmal nicht nur entwerferisch, sondern auch theoretisch und fachspezifisch angegangen werden können.

Vor der Abstimmung an der Departementskonferenz vom 8. Dezember 2021 bezog architektura, der Fachverein für Architekturstudierende, als Fürsprecherin des Fachsemesters Stellung. Dabei wurde sie von der Association of Assistants at the Department of Architecture (AAA), von der Parity and Diversity Commission (PDK), von der Arbeitsgruppe für Nachhaltigkeit (AGN) und von der Arbeitsgruppe Querformat unterstützt. In nur einer Woche wurden über 650 Unterschriften von Studierenden gesammelt, die ihr Interesse und ihre Unterstützung bekundeten. Die Liste, auf welcher mehr als ein Drittel der gesamten Studierendenschaft unterzeichnete, wurde an der Departementskonferenz präsentiert und mit Begeisterung zur Kenntnis genommen. Die Weiterführung des Fachsemester wurde mit 83 Prozent Ja-Stimmen angenommen!

Curriculum im Wandel
Das Berufsbild der Architekturschaffenden durchlebt einen Wandel. Mit der Erwartung an eine zukunftsweisende, nachhaltige und gesellschaftstaugliche Architektur, verändern sich die Anforderungen an Architekt:innen. Dies setzt eine breite und interdisziplinäre Ausbildung voraus. Das D-ARCH widerspiegelt diese Veränderungen. In den Kernfächern wird den Studierenden nicht nur konstruktives und bauphysikalisches Wissen vermittelt, sondern auch soziologisches, ökonomisches, ökologisches und künstlerisches Denken gefördert. Als praxisnaher Gegenpol werden die Studierenden bei der Arbeit in den Entwurfstudios mit einer konkreten architektonischen Aufgabenstellung konfrontiert.

Für die Studierenden füllt nun das Fachsemester eine unweigerlich Lücke zwischen Theorie und Praxis in der Lehre. In ihrem inhaltlichen Spektrum - so breit gefächert wie die restlichen Entwurfstudios - unterscheidet sich das Fachsemester in der Tatsache, dass die lehrenden Professor:innen diejenigen sind, welche die Studierenden sonst aus dem Vorlesungssaal kennen. Im Fachsemester erkennen die Studierenden den grossen Vorteil einen persönlich vertieften Umgang mit theoretischem Wissen zu erlangen, der im Rahmen einer normalen Vorlesung und der verpflichtenden Prüfung am Ende des Semesters nicht möglich ist. Es geht nicht darum, das Wissen in einem praktischen Projekt zu verwerten, sondern ein nachhaltiges Verständnis eines Themas zu erlangen. Durch vertiefte Einblicke in Fachbereiche abseits des praktischen Entwerfens, entdeckt man neue Interessen und findet neue berufliche Perspektiven im Bereich Denkmalpflege, Architekturtheorie, Architekturkritik, digitale Fabrikation usw.

Studierende befeuern den Wandel
Der Ausgang der Abstimmung über das Fachsemester ist repräsentativ für das Engagement der Studierende im Kontext der laufenden Curriculumrevision des D-ARCH. Neben der Departementskonferenz sind die Studierenden auch in der Unterrichtskommission, im Departementsausschuss sowie in den Berufungskommissionen vertreten. Darin bemühen sich die unterschiedlichen Arbeitsgruppen, ihre Anliegen voranzutreiben. Darüber hinaus gibt es immer wieder einzelne Studierende oder Kollektive, die durch Gespräche oder selbst organisierte Veranstaltung versuchen, den Austausch und die Diskussion am Department zu stärken.

Bottom-up Initiativen der Studierenden sind essentiell für die Gestaltung eines diversen Curriculums. Überschneidende Interessen zwischen Studierenden, zwischen Lehrstühlen und zwischen einzelnen Instituten untereinander werden erkannt und weiterentwickelt. Zudem wird der Wissenstransfer auf einer horizontalen Ebene gefördert. Der Erfolg der Aktion ‹Ja zum Fachsemester› zeigt das Potential dieser Kollaborationen.

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