Konzipiert für den Rollstuhl, verwendbar in unterschiedlichsten Konstellationen.

Ein Produkt, das für alle funktioniert

Die Design-Studierenden Nuriel Delmée und Tobias Inauen haben ein modulares Taschensystem entworfen, das auf Menschen im Rollstuhl ausgerichtet ist – aber auch für alle anderen funktioniert.

Was bedeutet Identität für euch?
Nuriel*: Für mich als Designerin geht es dabei vor allem um den persönlichen Ausdruck: Was ist mir wichtig? Was steht mir bereits zur Verfügung und was fehlt mir noch, um mich so zu zeigen, wie ich mich selbst sehe?  
Tobias*: Dieses Bedürfnis ist auch tagesabhängig. Es war für mich eine Herausforderung dieses Projekts, den Spielraum eines einzelnen Produkts möglichst umfassend zu erweitern.

Für das Kooperationsprojekt mit der Schweizer Paraplegiker-Stiftung solltet ihr ein Produkt gestalten, das sich an Personen im Rollstuhl richtet. Wie seid ihr vorgegangen?
Tobias: Es irritierte uns, dass wir als Personen ohne Einschränkung für Personen mit Einschränkungen designen sollten. Wir nahmen uns deshalb vor, ein Produkt zu entwickeln, das für alle funktioniert.
Nuriel: Wenn ich als sehr aktive Person plötzlich auf einen Rollstuhl angewiesen wäre, würde das meine Identität in Frage stellen. Ich habe mich gefragt, wie ich sie in einem neuen Alltag bewahren und mich der neuen Situation anpassen könnte.
Tobias: Wir sind von uns selbst ausgegangen: wo liegen unsere Stärken und wie können wir damit etwas Positives beitragen? Am Anfang des Projekts ist uns aufgefallen, dass beim Rollstuhlverkauf Promo-Rucksäcke mitgegeben werden, die ziemlich basic sind, in schwarz oder grau und ohne spezielle Funktionen. Also haben wir beschlossen, unsere eigenen Taschen zu gestalten.


Vom Skizzenbuch bis zum fertigen Produkt dauerte es nur wenige Wochen.

Erste Umsetzungsversuche: das modulare System ist bereits erkennbar.

Wie ist der Designprozess abgelaufen?
Nuriel: Für die Recherchephase positionierten wir uns als Personen ohne Einschränkung. Da wir nicht nachvollziehen können, wie es ist, auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein, haben wir Menschen befragt, die es wissen. Über den Austausch mit eingeschränkten Personen erkannten wir, dass wir den Begriff Inklusion breiter denken müssen. Unsere Taschen sollen nicht nur für Rollstühle funktionieren, sondern auch für Rollatoren, Kinderwagen, und Fahrräder.
Tobias: Unser Anspruch war es, keine Lücken entstehen zu lassen. Deshalb heisst das Produkt ‹NoGap›. Für die Funktionalitäten, die auf den Rollstuhl ausgerichtet sind, ist vor allem der Zugriff wichtig: Wie komme ich schnell an die Tasche heran, ohne mich gross bewegen zu müssen? Deshalb verwenden wir Magnete anstelle von Klettverschlüssen.

Und dieses Prinzip setzt sich fort?
Nuriel: Genau. Es gibt eine Haupttasche – in der die Magnete eingearbeitet sind – und drei kleinere Taschen, die hinzugefügt oder einzeln verwendet werden können. Dann gibt es zwei weitere Taschen, die mit Karabinern versehen sind. Die können hinten am Rollstuhl befestigt und bei Bedarf nach vorne gezogen werden. Eine der kleineren Taschen mit Gurt wird so zur Handtasche oder eine der grösseren mit Karabiner zur fixen Fahrradtasche. Es ist ein modulares System.
Tobias: Auch Grössen und Farben können unterschiedlich kombiniert werden. Wir wollten Farbe, Spass und Lebensfreude in die Produkte reinbringen.


‹NoGap› kann als Handtasche verwendet werden.

‹NoGap› eignet sich auch als Fahrradtasche.

Konzipiert für den Rollstuhl, verwendbar in unterschiedlichsten Konstellationen.

Das komplette ‹NoGap›-Set.

Was für Feedback habt ihr bekommen?
Nuriel: Wir zeigten ‹NoGap› an einer kleinen Ausstellung in der Schweizer Paraplegiker-Stiftung. Da gab es viel Begeisterung und wertvolle Verbesserungsvorschläge von Rollstuhlfahrerinnen. Sie fanden es gut, dass die Taschen nicht nur für sie relevant sind, sondern die ganze Gesellschaft ansprechen.
Tobias: Nuriel und ich wollen uns solidarisieren: warum müssen Rollstuhlfahrerinnen in einen eigenen Laden gehen und dort auch noch höhere Preise bezahlen? Warum können wir nicht alle im gleichen Laden einkaufen? Mit ‹NoGap› wollen wir Kategorisierungen aufheben und Grenzen verwischen. Wir hoffen, dass die Menschen unsere Sichtweise erkennen und ihre sich dadurch auch ändert.

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