So könnte der Waldgarten auf dem Schänzli in Muttenz aussehen.

Zwischen menschlich und pflanzlich

Kim Wüst gestaltet in ihrer Bachelorarbeit am HyperWerk Basel Begegnungen zwischen Natur und Mensch und entwirft urbane Waldgärten.

In meinem Abschlussjahr am Institut Hyperwerk setzte ich mich mit der Beziehung zwischen Pflanzen und Menschen sowie deren Integration in Ökosystemen auseinander. Ich fragte mich, wie sich Begegnungen zwischen Menschen und pflanzlichen Lebewesen gestalten lassen, die uns in eine achtsame und enge Beziehung führen. Eine weitere zentrale Frage war, wie wir pflanzliche Ressourcen bewusster konsumieren können. Pflanzen werden oft als Objekte behandelt, obwohl sie ebenfalls Lebewesen sind – sie haben ein Recht auf eine artgerechte Behandlung. Einen Schlüssel dazu, wie das erreicht werden kann, sehe ich in der Begegnung, im Kennenlernen und im kontinuierlichen Austausch mit den Pflanzen.

Was wäre wenn unsere Haut Sauerstoff produzieren würde? Ein fotografischer Versuch die Grenzen zwischen den Spezies aufzuheben und eine Verbindung herzustellen

In meiner Recherche beschäftigte ich mich damit, wie Ökosysteme von Menschen gestaltet werden und wo ich Potenzial zur Veränderung sehe. Wir Menschen stellen uns ins Zentrum. Um die Dinge kontrollierbar zu halten, entstehen Monokulturen und abgegrenzte Gebiete. Dadurch geht Diversität verloren, was das System zerbrechlich macht – eine Konsequenz, die anhand der Klimakrise immer stärker wird. Dabei könnten wir uns das Wissen von Pflanzen zu Nutze machen – ihren dezentralen Aufbau zum Beispiel. Wenn sie beschädigt werden, können sie ihre ‹Gliedmassen› wieder nachwachsen lassen. Dieses Phänomen können wir uns  als Vorbild nehmen, wenn wir eine nachhaltige Umwelt gestalten.

Auf der Suche nach dezentralen Ansätzen für die Landschafts- und Landwirtschaftsgestaltung, habe ich mich mit der Art und Weise beschäftigt, wie indigene Kulturen aus Nordamerika (vor allem vor der Kolonialisierung) ihr Land bewirtschaftet haben. Durch den holistischen Ansatz entstanden funktionierende und diverse Ökosysteme. Dadurch inspiriert entwickelte sich im letzten Jahrhundert der Begriff ‹Permakultur›: In Ökosystemen sollen Pflanzen kombiniert werden, die sich gegenseitig im Wachstum unterstützen und gleichzeitig als Nahrung dienen. Die Permakultur kann in allen Lebensbereichen angewendet werden. Auch Insekten, Kleintiere und Nutztiere lassen sich im System integrieren. Eine solche Mischkultur kann im Ganzen immer noch funktionieren, auch wenn eine Pflanze zum Beispiel aufgrund eines Krankheitsbefalls ausfällt.

Aus meiner Recherche entstand eine Serie von drei Zines: #1 – Beziehung; #2 – Wildnis; #3 – Waldgarten.

Ein weiterer Punkt, den wir im Bezug auf den Klimawandel berücksichtigen müssen, ist die Rückbindung von CO2. Wälder können CO2 speichern, deshalb ist es wichtig, sie zu erhalten und ehemalige Waldgebiete und Moorlandschaften wiederherzustellen. In der Agroforstwirtschaft gibt es Ansätze, wie Wald und Landwirtschft verbunden werden können, zum Beispiel im ‹Syntropic Farming› oder im Waldgarten. Sie alle funktionieren mehr oder weniger ähnlich: wie bei einem natürlichen Waldökosystem sollen verschiedene Schichten – Bodendecker, Stauden, Sträucher, Bäume – geschaffen werden.

So könnte der Waldgarten auf dem Schänzli in Muttenz aussehen.

In meiner Entwurfsarbeit habe ich mich auf den Waldgarten fokussiert, weil er der Permakultur am nächsten kommt. Ich fügte eine weitere Komponente hinzu, nämlich den urbanen Raum. Dadurch kann die Trennung zwischen Stadt und Natur allmählich aufgehoben werden und zu einem Verständnis führen, dass wir Teil der Natur und des Ökosystems sind. Statt Parkanlagen stelle ich mir Waldgärten vor, die der Erholung dienen und die Menschen zusammenbringen, welche gemeinsam die Fläche bewirtschaften. Im Waldgarten wachsen Gemüse, Obst und Nüsse, wohnen Kleintiere und Insekten und seine hohe Biodiversität trägt zum Naturschutz bei. Er ist für mich nicht nur eine Alternative für eine nachhaltige Landwirtschaft, sondern auch Sinnbild für eine Lebenseinstellung: Die Bereitschaft, in Abhängigkeit zu leben, Verantwortung zu tragen und sein Gegenüber wertzuschätzen. Ich sehe den Waldgarten als Begegnungsort zwischen Menschen und Pflanzen, der uns lehrt in Kollaboration mit anderen Lebewesen auf der Erde zu leben.

Diese Zeichnung entstand während der Diplomausstellung des Hyperwerk.

Wenn wir also unsere Zukunft gestalten, dann lasst uns in die Komplexität von Beziehungen und Systemen eintauchen, um integrative, diverse und nachhaltige Konzepte zu entwickeln.

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