Die App ‹Fine›. Fotos: Anna Wiederkehr

Wie fühlt sich das an?

Wir tracken unsere Ausgaben, unsere sportliche Leistung und unsere Kalorienaufnahme, um unser Leben zu optimieren. Lässt sich dies auf unsere Gefühlswelt übertragen? Die Designerin Anna Wiederkehr entwarf im Masterstudium an der ZHdK eine App, die genau dies tun will.

Wir tracken unsere monatlichen Ausgaben, unsere sportliche Leistung und unsere Kalorienaufnahme, um unser Leben zu optimieren. Lässt sich dies auf unsere Gefühlswelt übertragen? Die Designerin Anna Wiederkehr entwarf im Masterstudium an der ZHdK eine App namens ‹Fine›, die genau dies tun will.

Wie funktioniert ‹Fine›?

Anna Wiederkehr: ‹Fine› ist ein System, mit dem Emotionen getrackt, gesammelt und visualisiert werden können. Zuerst muss der Nutzer die Emotion benennen, danach wird er von der App durch einen vierstufigen Prozess geführt, mit Fragen wie «Wie intensiv war die Emotion?» oder «Wie hat sich dein Körper angefühlt?». Danach wird erfasst, was die Emotion ausgelöst und welche Reaktion sie hervorgerufen hat. Die erfassten Daten werden in eine Visualisierung umgewandelt: Angelehnt an das Eisbergmodell von Freud zeigt sie einen zerklüfteten Eisberg in einem wechselhaften Meer, getaucht in eine Farbpalette von Rot- und Blautönen in variierender Intensität.

Was hat dich auf diese Idee gebracht?
Weil sich in meiner Familie einiges veränderte, war ich vor einigen Jahren mit einer tiefen Trauer konfrontiert. Ich suchte nach einer Methode, um besser zu verstehen, was mit mir passiert. Da ich Informationsdesignerin bin, war die naheliegende Methode Datenvisualisierung: Ich begann aufzuschreiben, wie ich mich fühle, vergab Werte und visualisierte sie auf dem Computer. Dies half mir, meine Reaktionen besser zu verstehen und zu antizipieren. Ich denke, viele Leute sind sich nicht immer bewusst, wie es ihnen wirklich geht. Für meine Masterarbeit habe ich deshalb das System weiterentwickelt.

Wie bist du dabei vorgegangen?
Ich schaute mir Kunstwerke an, die sich um den Ausdruck von Emotionen drehen. Auch bereits vorhandene Arbeiten im Bereich der wissenschaftlichen Illustration und der visuellen Kommunikation gaben mir viele Anhaltspunkte. Im nächsten Schritt konsultierte ich Forschungsarbeiten zu Emotionen und schaute, welche Messmethoden bereits bestehen. Und natürlich musste ich rausfinden, wie ich eine einfach zu bedienende App entwickeln kann.

Müssen wir Emotionen messen, wie wir unsere letzte Joggingrunde messen?
Natürlich nicht. Mein Eindruck ist jedoch, dass wir Informationsdesigner Bereiche vernachlässigen, in denen es schwierig ist Werte zuzuordnen. Deshalb gibt es wenige Tools im Bereich Psychologie oder Sozialarbeit, obwohl sie hilfreich sein könnten. Ich wollte etwas schaffen, das für die Nutzerin ohne Zahlen und Werte auskommt, aber trotzdem ein Tracking und eine Visualisierung zulässt.

Welche Pläne hast du mit ‹Fine›?
Einerseits finde ich es wichtig, dass offener und mehr über Gefühle gesprochen wird. Anderseits sehe ich die potenziellen Gefahren, wenn diese Daten gesammelt und ausgewertet werden: Stell dir vor, eine Firma zwingt ihre Mitarbeitenden, ihre psychische Verfassung zu tracken oder Organisationen beeinflussen dein Einkaufsverhalten aufgrund von Daten zu deiner Befindlichkeit. Meine Idealvorstellung ist eine Open Source-Plattform: ein offenes und zugängliches System, das alle für ihre persönliche Entwicklung und zur Auseinandersetzung mit sich selbst nutzen können.

‹Fine› selber ausprobieren: http://fine-exhibition.annawiederkehr.com/ 

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