Das bespielte Foyer

Widerstand gegen alle Normen

Im Rahmen der Ausstellung ‹Queering the Domestic› hat die Arbeitsgruppe ‹Querformat› das Foyer des HIL-Gebäudes an der ETH Hönggerberg ein Semester lang mit umgebauten Möbeln besetzt.

Im Herbstsemester 2021 organisierte Querformat im Foyer des Departements für Architektur an der ETH Zürich eine interaktive Ausstellung mit dem Titel ‹Queering the Domestic›. Die Schau eignete sich den kuratierten Raum der Institution an, dessen Bauweise und Nutzung einer Vielzahl festgeschriebener Normen unterliegen. Das tägliche Lernen und Leben im Fakultätsgebäude korreliert oftmals mit den gegebenen Nutzungsmöglichkeiten, wie etwa den Brandschutzregulationen.

Die Wiedergeburt norm-geprägter Elemente

Die Arbeitsgruppe Querformat hat das standardisierte und zertifizierte Mobiliar aus dem Altmobiliarverkauf sowie Lüftungs- und Installationselemente zu wesensfremden Objekten umgebaut. Die Möbel erlebten so eine Wiedergeburt und konnten von allen Besucher:innen frei genutzt und adaptiert werden: Sitzen, Liegen, Räumen, Rücken, Stapeln, Drehen, Schieben, Wippen, Hängen.


Die Einladungen zum dreiteiligen performativen Akt

Studierende und eingeladene Künstler:innen bespielten das neue Wohnzimmer im Rahmen einer dreiteiligen Veranstaltungsreihe zu den Kapiteln ‹Körper›, ‹Mobiliar› und ‹Raum›. Die Gruppe ‹b0ole4nxt3ars› projizierte 3-D-Welten auf die Wände des Foyers und die Performerin Tamar Kisch ertanzte mit den Studierenden die baulichen Grenzen des Raums. Querformat erschuf so einen Ort ephemerer Mehrdeutigkeit für die quere Gemeinschaft und für alle Interessierten. Das Tanzen, Sprechen und gegenseitige Haarebleichen zeigte, wie notwendig ein sicherer Raum ist.


Das Zusammenfinden

Der Begriff Queer ['kwɪə] dient als Sammelbezeichnung für alle, die sich nicht der heterosexuellen oder Cis-Geschlechternorm zugehörig fühlen. Identitäten von Queerness lassen sich nicht fest abstecken, sondern unterliegen dem Kontext der Zeit und den Bewegungen der Gesellschaft. Das englische Wort queer stammt vom deutschen Wort quer, und bezeichnet den Zustand eines Körpers, der nicht einem Ideal entspricht. Der Gruppenname Querformat beschreibt ein Format, dass nicht dem konventionellen und zu erwartenden Charakter entspricht und verbindet das andersartige Quer mit dem normativen Format.

Oftmals steht die Frage im Raum, ob ein Diskurs über Queerness am D-ARCH notwendig ist: Weshalb wird die persönliche sexuelle Orientierung mit der Architektur und dem akademischen Kontext verknüpft? Die Fragestellung ist politischer sowie gesellschaftlicher Natur. Auf der einen Seite steht der Ruf der Student:innen nach Toleranz gegenüber Andersartigkeit. Exklusion, Macht und Einschüchterung sind immer noch allgegenwärtige Begriffe am D-ARCH und unterspülen das freie Lernen und Lehren aller Agierender.

Auf der anderen Seite umschreibt der Diskurs einen gesellschaftlichen Wandel, der in der Architekturlehre, der Raumtheorie und der Architekturgeschichte keinen Raum findet, was sich letzten Endes in den Gebäuden, die wir entwerfen und in den Städten, die wir beleben niederschlägt: Unsere Stadt- und Lebensräume entsprechen dem Entwurf einer heteronormativen Gesellschaft. Als einfaches, bauliches Beispiel seien an dieser Stelle die genderkonformen Toiletten in öffentlichen Institutionen zu nennen, deren explizite Signaletik die gesellschaftlich propagierte Norm widerspiegelt.

Das heteronormativ geprägte Zuhaus bildet die Identität im Alltag. So zeichnen oftmals triviale Objekte ein Lebensideal, dass für Queer-Subjekte nie erreicht werden kann. Es entsteht eine Art des Queer-Diskomforts, wenn «die obligatorische Heterosexualität Körper durch die Annahme so formt, dass ein Körper sich an bestimmten Objekten orientieren muss und an anderen nicht», wie die britisch-australische Wissenschaftlerin Sara Ahmed in ihrem Artikel ‹Queer Feelings› schreibt. Darum beschäftigt sich ‹Querformat› mit der Frage, wie ein sicherer Raum innerhalb der Institution geschaffen werden kann, der jede Form des Seins zulässt. Langfristig zielt die Gruppe darauf ab, vertiefte Forschung an der Schnittstelle von Queerness und räumlichen Fragen durch verschiedene Arten von Aktivismus zu entwickeln. Ein Zitat von Tim Dean und Christopher Lane beschreibt es treffend: «Die Queer-Theorie befürwortet eine Politik, die auf dem Widerstand gegen alle Normen beruht.»


Die Adaption

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