Unterkünfte in Upper Nile, dem nördlichsten Bundesstaat im Südsudan.

Werkzeug, nicht Waffe

In seiner Masterarbeit an der HGK Basel hat Manuel Wüst ein Werkzeug für die Nothilfe im Südsudan entwickelt. Das Gerät muss schneiden und sägen können, darf aber nicht als Waffe einsetzbar sein.


In seiner Masterarbeit an der HGK Basel hat Manuel Wüst in Zusammenarbeit mit der Nothilfeorganisation Medair ein Werkzeug entwickelt, das den Menschen im Südsudan helfen soll, eine Unterkunft zu bauen. Das Gerät muss schneiden und sägen können, darf aber nicht als Waffe einsetzbar sein.

Für meine Masterarbeit an der HGK Basel suchte ich nach Handlungsräumen des Human Centered Design im Kontext der humanitären Nothilfe. Von der Hilfsorganisation Medair erfuhr ich, dass sie in ihren Einsatzgebieten ein Werkzeug für den Bau von Unterkünften brauchen. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) empfiehlt, wenn möglich lokale Materialien, Fähigkeiten und Techniken für den Bau von Notunterkünften zu verwenden. Darum werden oft nicht Zelte abgegeben, sondern traditionelle Unterkünfte gebaut. Dafür müssen im Südsudan Gräser geschnitten und Äste gesägt werden. Herkömmliche Werkzeuge, wie die Machete oder die Sichel, können von Nothilfeorganisationen nicht verteilt werden, da sie als Waffe eingesetzt werden können.

Für die Hilfe im Südsudan gibt es den sogenannten «South Sudan Shelter and Non-Food Items Cluster», von welchem aus Nothilfeorganisationen, darunter auch Medair, das Material für die Verteilaktionen beziehen. Welche Produkte in diesen Cluster integriert werden, wird jeweils von Fachleuten der humanitären Nothilfe diskutiert und entschieden. Für die Entscheidungen beruft man sich auch auf die humanitären Prinzipien, wie sie im ‹Code of Conduct› verankert sind – «Do No Harm» ist eines dieser Prinzipien. Im weiteren Projektverlauf sollen Spezialisten der Rechtsmedizin die Funktionen der Werkzeuge evaluieren. Sie können verschiedene Gewalteinwirkungen simulieren und vergleichen. Dadurch wird sich besser einschätzen lassen, welche Gefahren von den Werkzeugen ausgehen und wie sehr – verglichen mit anderen Werkzeugen – das Verletzungsrisiko reduziert werden kann. Diese Studien können dann den Fachleuten der humanitären Hilfe zur Verfügung gestellt werden.

Aus Sicherheitsgründen konnte ich bis zum Abschluss der Masterarbeit nicht in den Südsudan reisen. Umso wichtiger war die Zusammenarbeit mit Medair. Gemeinsam erstellten wir ein detailliertes Anforderungsprofil für das neue Werkzeug. Ein Botaniker der Universität Lausanne informierte mich über die Gräsern, die für den Bau der traditionellen Behausungen verwendet werden. Mit Fachleuten der humanitären Nothilfe testete und diskutierte ich die Schneide- und Sägefunktionen. Mit dem Industriedesigner Patrick Müller verbesserte ich die Ergonomie und die Effizienz. Ich legte die potenziell gefährlichen Teile auf die Innenseite des Werkzeugs, um ihre missbräuchliche Verwendung als Angriffswaffe zu reduzieren.

Schliesslich evaluierte eine Fokusgruppe im Südsudan zwei Prototypen mit vier verschiedenen Schneide- und Sägekomponenten. Das Feedback der Betroffenen zur Handhabung und zur Akzeptanz liefert mir nun die Grundlage, um die Masterarbeit fortzuführen. Im weiteren Gestaltungsprozess sollen die Werkzeuge so weit optimiert werden, dass notleidende Menschen im Südsudan ihre Unterkünfte eigenhändig bauen und reparieren können. Damit bleibt das Ziel im Blick: Dank der Integration von Design werden Menschen in Krisensituationen entlastet.

* Manuel Wüst absolvierte den Masterstudiengang am Institut Integrative Gestaltung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel.

close

Kommentare

Lilia Glanzmann / online@hochparterre.ch 09.10.2017 10:31
@ Michel: Danke für den Hinweis – vermutlich, weil der Artikel im CMS für die Publikation terminiert war was sich auf die Zeitstempel auswirken könnte, wir gehen dem aber nach.
egal 07.10.2017 09:20
Ich behaupte das Gegenteil ist der Fall. Die Ursache vieler Krisen in Afrika ist ja erst der Export aus Europa (Waffen, Nahrungsmittel und wirtschaftspolitische Interessen). Und jetzt exportiert man ein Tool, dass so hoch entwickelt ist, dass es wohl auch nur in Europa produziert werden kann, wo schlussendlich auch die Wertschöpfung verbleibt. Ein Werkzeug zu entwickeln dass nicht als Waffe benutzt werden kann ist in jedem Fall bevormundend, denn, so skurril das klingen mag, ich denke jede Gesellschaft sollte selbst entscheiden wann sie ein Messer als Werkzeug oder als Waffe verwendet. Man sollte doch eher die Grundlagen dafür schaffen das diese Entscheidung aus freien Stücken richtig gefällt wird.
Michel 07.10.2017 08:06
Das ist eine gute Arbeit, weil sie ganz anders, als der vorhergehende Kommenrar nahelegen möchte, die Menschen keinesfalls bevormundet, sondern in einer notleidenden Situation ermächtigt, selbst zu handeln. By the way: der erste Kommentar erschien vor dem Beitrag liebe Hochparterre Macher: wie kann das sein???
Michel 07.10.2017 08:06
Das ist eine gute Arbeit, weil sie ganz anders, als der vorhergehende Kommenrar nahelegen möchte, die Menschen keinesfalls bevormundet, sondern in einer notleidenden Situation ermächtigt, selbst zu handeln. By the way: der erste Kommentar erschien vor dem Beitrag liebe Hochparterre Macher: wie kann das sein???
egal 06.10.2017 15:58
Wann hören wir endlich auf die afrikanischen Staaten und die Menschen in Afrika zu bevormunden und sie ständig zu belehren was sie und wie sie es besser machen könnten. Ich denke ohne den (vorallem historischen) Einfluss der Europäer würde es vielen Menschen dort ohnedies besser ergehen. Was würden wohl wir sagen, wenn ein afrikanisches Expertenteam käme und uns Schweizern in Workshops Lebensfreude und Genussfähigkeit beibringen wollten...
Kommentar schreiben