Passantinnen und Passanten schreiben ihre Vorschläge auf die Meinungstafeln.

Was würden Sie hier gerne tun?

Auf der Suche nach einer neuen Architektur für ein leerstehendes Areal hat die Architekturstudentin Marcella Zauner die Anwohnerinnen und Anwohner zur Partizipation motiviert.

Auf der Suche nach der Identität eines leerstehenden Areals im österreichischen Bludenz verfolgte mein Semesterprojekt die Spuren der Vergangenheit. Doch um die neue Architektur an diesem Ort zu formen, waren die Stimmen der heutigen Stadtbewohnerinnen und -bewohner unerlässlich. Der Studiotitel ‹Bodies of Knowledge: Rethinking Vacant Buildings› gab mir bereits zu Semesterbeginn einen Hinweis, wie ich an den Entwurf herangehen und welche Haltung ich gegenüber dem Bestand einnehmen wollte. Während ich mit der vorhandenen Substanz arbeitete, wurde mir immer klarer, dass leerstehende Gebäude nicht bloss unbelebte Hüllen sind. Vielmehr verkörpern sie die Geschichten der Bewohnerinnen und Bewohner und erzählen von der vergangenen Kultur des Lebens, des Bauens und des Ortes. Im Hinblick auf den Studioschwerpunkt ‹Upcycling› war diese vertiefende Art der Bestandsaufnahme aufschlussreicher als eine klassische Vermessung und Planerfassung. Die Analyse verdeutlichte, welche Werte auf diesem Areal heute noch eine Rolle spielen und für die Zukunft neu interpretiert werden können.


Atelier vor Ort.

Workshop im Bestand.

Die besondere Lage des ausgewählten Objektes machte das zukünftige Szenario für ein grösseres Publikum relevant, als nur für die unmittelbaren Nachbarn im Quartier. Diesen Ort passieren Schülerinnen tagtäglich auf dem Weg in die jeweilige Bildungsstätte. Viele Bürgerinnen kommen auf dem Weg in die Altstadt hier vorbei und der ein oder andere Besucher des benachbarten Kulturzentrums flaniert gemütlich und neugierig umher. Und was würden Sie hier gerne tun? Mir war schnell klar, dass ich diese Frage nicht nur in Gedanken stellen und theoretisch beantworten wollte. Also fertigte ich Meinungstafeln an und platzierte sie im Hof, um die Menschen zur Partizipation zu motivieren. Ohne viel Federlesens nahmen die Passantinnen an der Aktion teil und binnen kürzester Zeit fand ich mich vor einer Sammlung der reichsten Schätze wieder. Die Meinungstafeln zeigten die Wünsche und Bedürfnisse ganz unterschiedlicher Menschen, die alle in einer individuellen Beziehung zum Areal standen.


Die Meinungstafeln zeigen die Wünsche und Bedürfnisse ganz unterschiedlicher Menschen, die alle in einer individuellen Beziehung zum Areal standen.

Für mich bildete dieser Dialog eine wertvolle Grundlage für das Entwerfen. Ein besonderes Glück stellte die Begeisterung der befragten Menschen dar, die sichtlich erfreut waren, gehört zu werden und mitreden zu dürfen. So gesehen sollte Bürgerbeteiligung eine Konstante im Repertoire der Planungsgrundlagen darstellen. Wie bereits der italienische Architekturprofessor Giancarlo de Carlo sagte, ist die Architektur zu wichtig, um sie den Architektinnen und Architekten zu überlassen. Die Stimmen der Menschen sind meines Erachtens ausschlaggebend für eine langlebige Architektur und verdienen es mehr Bedeutung zu erhalten.

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