Roman Jurt bei der Arbeit an einem neuen Form1 Stereolithografie 3D-Drucker Fotos: Roman Jurt

Vom Kopf in die Realität

Roman Jurt leitet das ‹Tec Lab› der ZHdK. Hier erproben zukünftige Industrial Designer nicht nur die neuesten 3D-Drucker und Entwurfsmethoden, sondern machen sich Gedanken über die Zukunft ihres Fachs. Ein Werkstattgespräch.

Isabelle Vloemans: Das ‹Tec Lab› entstand vor zwei Jahren auf dem Höhepunkt des Hypes rund um das 3D-Drucken. 3D-Drucker sind mittlerweile «normal» –  wie bleibt das ‹Tec Lab› vorne dabei, wenn es im Design um digitale Fabrikation geht?
Roman Jurt: Dieser ganze Bereich befindet sich noch immer in rasantem Wandel. Die Geräte werden ständig günstiger und besser, die Software wird einfacher und einfacher. Das ‹Tec Lab› bleibt an allen Fronten am Ball, damit wir neue Entwicklungen von Anfang an mitkriegen und auch mitprägen. Wir wollen, dass unsere Studierenden früh mit den neuesten digitalen Tools in Kontakt kommen, damit sie am Start sind, wenn sie auf den Arbeitsmarkt kommen.

Was bedeutet das für den Entwurfsprozess? Forciert ihr mit dem ‹Tec Lab› die digitalen Möglichkeiten gegenüber den traditionellen Methoden?
Das gute alte Skizzieren und das klassische Modellbauen werden nach wie vor vermittelt. Mit den neuen Tools kommt man sehr schnell zu einem Prototyp. Wir sind uns einig, dass es Zeit braucht, um auf der formalen Ebene zu einer schlüssigen Lösung zu kommen. Die Gefahr der digitalen Werkzeuge ist, dass die Studierenden vor lauter Technik die Form vernachlässigen, sich verzetteln. Meiner Meinung nach ist es letztlich nicht entscheidend, ob man mit digitalen oder mit analogen Werkzeugen entwirft. Hauptsache, die Idee findet so einfach wie möglich den Weg aus dem Kopf in die Realität.

Diskutiert ihr, was es für professionelle Industrial Designer heisst, wenn sich in Zukunft jeder seinen Stuhl zuhause selbst ausdrucken kann?
Auf jeden Fall, wir wollen die Studierenden von Anfang an aufrütteln! Sie sollen sich nicht einfach wohlfühlen im Kokon der Studiensituation, sondern sich mit möglichen Szenarien befassen. Sind etwa Modelle wie das von Shapeways aus Holland die Zukunft, also digitale Marktplätze, die es Nutzern erlauben, 3D-druckbare Designs hochzuladen und Kunden anzubieten?

Was ist deine Haltung in dieser Frage?
Ich glaube, dass sich die Arbeit des Designers künftig auf die konzeptionelle Ebene verlagern wird. Designerinnen und Designer werden zum Beispiel sicherstellen, dass Ergonomie, Ästhetik und Funktion von Produkten auch dann noch überzeugen, wenn der Kunde unzählige Möglichkeiten hat, sein Produkt zu ‹customizen›. Vor allem aber sollten professionelle Designer dank ihrem Expertenwissen dazu in der Lage sein, technologische Innovation mit ökologischen Fragen vereinbar zu machen und dabei womöglich Lebensumstände zu verbessern.

Wie kommt diese Vision in der Ausbildung konkret zum Tragen?
Ein wichtiger Punkt ist die Zusammenarbeit mit den richtigen Partnern. Die technische Innovation stärken wir beispielsweise durch das ‹Design and Technology Lab›, das wir im Technopark in Zürich-West gemeinsam mit den Maschineningenieuren der ETH betreiben.

Und wie steht es mit der angesprochenen Ökologie? Wie verträgt sich diese beispielsweise mit den vielen Plastikabfällen, die beim 3D-Drucken anfallen?
Das kann man von verschiedenen Seiten her sehen. Wenn sich die Leute in Zukunft für jeden Kaffee eine neue Tasse ausdrucken, einfach weil es möglich ist, dann wäre das natürlich der Supergau. 3D-Drucken kann aber auch Lieferwege einsparen oder  Überproduktion verhindern, weil ‹on demand› produziert wird. Das wäre dann wieder sehr umweltfreundlich. Ich selbst tüftle seit einiger Zeit an einer ‹Recycling Factory›, mit der sich unsere Abfälle im ‹Lab› wieder verwerten lassen. Wir haben es selbst in der Hand, wohin die Reise geht.

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