iPad-Skizze: Perspektivische Konstruktion auf Basis vom Modellfoto.

Tablet statt Papier?

In seinem Studium an der HSLU untersucht Adrian Müller, wie Innenarchitekten in Zukunft entwerfen. Wieso wird das Papier nicht einfach durch den Tablet-Computer ersetzt?




In meinem Studium befasse ich mich damit, wie zukünftige Gestaltungsprozesse in der Innenarchitektur aussehen könnten. Dabei stütze ich mich auf Erfahrungen, die ich an der HSLU Technik & Architektur in den Modulen ‹Building Information Modelling› BIM, ‹Digitale Transformation und Ethik› und ‹Designgeschichte› gemacht habe und auf Erkenntnisse, die ich beim Arbeiten mit analogen Medien und verschiedener Soft- und Hardware erlangt habe.

Auch wenn die Innenarchitekten heute vorwiegend an Bildschirmen arbeiten, drucken sie massenhaft auf Papier. Wieso wird das Papier nicht einfach durch den Tablet-Computer ersetzt? Skizzen und Notizen auf dem Tablet sind zum einen direkt digitalisiert und müssen nicht eingescannt werden. Der wesentliche Unterschied zum Papier ist aber die Möglichkeit, ortsunabhängig zusammenzuarbeiten. So kann in Luzern und in Los Angeles live an der gleichen Skizze gearbeitet werden. Verbindet man diese Technologie mit Live-Videodiensten wie FaceTime oder Skype, kommt das Setting schon nahe an ein reales Meeting.

Tablets können Innenarchitekten auch verwenden, um auf dem Bau schnell Mass zu nehmen: Sie schiessen ein Foto des Bauteils und tragen auf dem Tablet die Masse ein. Das gleiche Prinzip kann der Gestalter auch für einen Erstentwurf verwenden, zum Beispiel für eine Küche: Zuerst macht er ein Foto der Perspektive und skizziert dann das ungefähre Volumen darüber. Die generierten Daten werden auf digitalen Notizbüchern verwaltet. Sie funktionieren wie Cloud-Speicher, auf die von allen Geräten zugegriffen werden kann.

Natürlich kennt das Skizzieren auf dem Tablet auch Grenzen. Präsentiert ein Innenarchitekt ein Farbkonzept eines Raums, verwendet er besser echte Farbe, um einen realen Eindruck der Farbwirkung im Raum zu bekommen. Braucht er Pigmente für künstlerische Arbeiten oder wenn spezielle Werkzeuge Spuren auf dem Maluntergrund hinterlassen sollen, ist das Tablet mit seiner Glasoberfläche das falsche Medium. Der Gestalter muss bedenken: Das Tablet emittiert farbiges Licht und funktioniert nicht als beleuchtete Fläche.

Auch ‹Virtual Reality› und ‹Augmented Reality› werden die Gestaltungsprozesse in naher Zukunft beeinflussen. Mit VR und AR können 3-D-Modelle in ihren wahren Dimensionen betrachtet und modifiziert werden. Der Innenarchitekt kann also direkt im simulierten Raum stehen und Veränderungen im 1:1-Massstab anbringen. Das Raumerlebnis gleicht aber eher einem Blick durch ein Fenster, als dem tatsächlichen Gefühl in einem Raum zu stehen. Dazu fehlen wichtige raumbildende Faktoren. Die VR-Brille verfälscht die haptische, akustische, olfaktorische und temperaturbezogene Realität, da sich der Benutzer physisch nicht am simulierten Ort befindet.

Trotzdem präsentieren Innenarchitekten ihren Kunden immer öfter 3-D-Renderings mit AR und VR. In diesen Renderings lauert allerdings eine Gefahr: Werden sie bereits in einer frühen Entwurfsphase erzeugt, kann das scharfe Bild des zukünftigen Raums dazu führen, dass der Gestalter in der Realität nur noch auf das gerenderte Bild hinarbeitet. Oder das Rendering irritiert den Kunden, weil sich der gestaltete Raum zum Schluss doch davon unterscheidet. In beiden Fällen verfehlt das Rendering den Zweck, eine zukünftige Realität zu abstrahieren. Ich denke, in der Entwurfsphase sind ‹unscharfe› Abstraktionen wie Skizzen oder Modelle geeigneter als Renderings.

Die digitalen Gestaltungsmitteln beschleunigen den kreativen Prozess. Konventionelle Methoden werden durch digitale ergänzt oder ersetzt. Ich für meinen Teil brauche Papier auf jeden Fall nur noch selten.

* Adrian Müller studiert im 6. Semester Innenarchitektur an der Hochschule Luzern, Technik & Architektur.

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