Mehrere Balancehalbkugeln wurden in die körpernahe Kleidung eingearbeitet, wobei die Positionierung dieser hauptsächlich im Liegen komfortabel sein muss. (Foto: Chaumont-Zaerpour)

Sitzen Liegen Stehen Gehen

In ihrer Bachelorarbeit untersucht die Modedesignerin Nadine Raeber, wie Bewegungen des menschlichen Körpers mit Gemütszuständen zusammenhängen. Ihre Entwürfe wollen körperliche und emotionale Reize auslösen.

Meine Bachelorthesis ‹Sitzen Liegen Stehen Gehen mit Kugeln› setzt sich mit möglichen Positionen und Bewegungen des menschlichen Körper und den entsprechenden Gemütszuständen auseinander. Die Arbeit lädt dazu ein, durch sinnliche Erfahrung und Beobachtung Körperlandschaften wahrzunehmen. So entsteht eine körperlich leibhafte Auseinandersetzung, bei der Berührung, Empfindung und Humor interagieren.


Die Schnitteile der Gymnastikbälle habe ich mit körpernahen Schnittteilen verbunden und so eine fliessende Ball-Kleid-Konstruktion erstellt. (Foto: doingfashion)

Die Arbeit behandelt die Stimulation von Körper, Material und Raum und erforscht Gewicht, Spannung und Elastizität. Es sind materielle Eigenschaften, die beim Tragen der Kleidungsstudien körperliche und emotionale Reize auslösen. Über bewusst gewählte aktive und passive Bewegungen werden die Entwürfe zum Leben erweckt. Als Ausgangspunkt nutze ich verschiedene Materialien. Es sind Gymnastikbälle, Glaskugeln und selbst gegossene Gummibälle. Ich verwende und sammle Produkte und Materialien, die eine zweite Bedeutung und Verwendung suchen und ermögliche einen nachhaltigen Umgang, indem eine neue Wertschätzung erkennbar wird.


Hier wurden die Verschlussbändel in die Gipsform eingefädelt, damit beim weiteren Ausgiessen und anschliessenden Zerschlagen der Gipsform der finale Schuh sichtbar wird. (Foto: Nadine Räber)

Giesslatex hat einen eher langsamen Trocknungsprozess, dieser wird hier über den Farbverlauf sichtbar. Die Halbkugelnoppen stellen einen Massageschuh dar, welcher Träger*in sowie den Boden stimulieren soll. (Foto: Nadine Räber)

Die Kombination der Materialien lässt eine neue Kommunikation zwischen Betrachter*in und Objekt entstehen. Die Arbeit kann unterschiedlich verstanden und wahrgenommen werden. Über Form- und Materialwahl wird ein therapeutischer Ansatz erkennbar, der im Kontrast zur Neuinterpretation von Farb- und Materialwelten eine freie Konnotation erlaubt. Meine Lust wird durch die Interaktion von Körper, Material und deren sinnliche Reize angetrieben. Ich verstehe meinen Prozess als vielschichtige Kommunikation: beginnend beim intuitiven Entwurf am eigenen Körper, der durch Videodokumentation festgehalten wird, hin zu handwerklich orientierten Gestaltungsformen, die an den Körper des Gegenübers kommen und in einer performativen Präsentation vermittelt werden.


Als Füllmaterial wurden Bällebadbälle verwendet, es geht um das Gefühl des Eintauchens und die Berührungsflächen zwischen Kleidung und Körper. Durch das entstandene Volumen verändert sich auch die Körperhaltung sowie der Gang. (Foto: Nadine Räber)

Durch Bänder kommen die Bälle an den Körper, welcher sich dann individuell mit ihnen in weiche Bewegungsabläufe begibt. (Foto: Nadine Räber)

In der handwerklichen Umsetzung habe ich mich im Schuhdesign vertieft und verschiedene Gusstechniken erlernt. Aus dem mehrteilige Prozess des Abformens mit Gips entsteht ein Negativ, mit dem wiederum ein Abguss aus Silikon oder Latex gemacht werden kann. In Zusammenarbeit mit der Glasbläserei Niesenglas habe ich einen Schuh entworfen, der in schleifender Bewegung den Gang neu erlebbar macht. Auf dem Weg der Umsetzung bin ich vielen Menschen begegnet, die mit ihrem handwerklichen Wissen meine Designideen erweitert und realisierbar gemacht haben. Dieser Austausch war essentiell zur Fertigung einer schlüssigen Arbeit und markiert für mich auf einer sozialen Ebene die Wertschätzung von Handwerk, Design und Mensch.
 
Ich verstehe meine Arbeit insofern im Modekontext, indem sie eben gerade nicht das vermeintlich Erwartete erzählt. Mode soll provozieren und neue Erlebnisse ermöglichen, sie soll Spass machen und verspielt sein. Durch diese Eigenschaften soll sie ihre Bedeutung auch in der Zukunft behalten.

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