Neue Formen der Kritik.

No credits, no problems

Was wäre, wenn Joseph Beuys eine Gastprofessur an der ETH hätte? Unter den Studierenden würde die Eigeninitiative grassieren, meint das Studio Enact und geht mit gutem Beispiel voran.

Hätte Joseph Beuys in diesem Herbst eine Gastprofessur an der ETH, würden wir garantiert ein Fortleben seines Werkes miterleben. Die Zeit ist reif für Beuys. Die Studierenden sind reif für Beuys. Seine Persona, seine Ideologie würden es schaffen, das Studium in eine neue Radikalität zu bewegen, die Studierenden endlich in den allseitig begrüssten Aktivismus zu drücken. Ein Professor, der die Autonomie propagiert. Das Programm noch unklar, wohl eine Anleitung zur Freiheit, doch sicherlich schon bald strukturiert, abgedruckt und kommuniziert. Es ist schwierig abzuschätzen, welche Referenzen in Beuys' Studio verwendet werden könnten. Im Zweifelsfall macht sich ein Shinohara nie schlecht. Auch layout-technisch ist alles noch ein bisschen unklar, aber das klärt sich schnell. Die Schablone zur Eigenständigkeit würde helfen.

Natürlich haben die Studierenden auch ohne Beuys eigene Ideen, doch für Kritik und eigene Interessen gibt es keine Kreditpunkte. Diese können ja nach dem Studium verfolgt werden. Die ETH ist Dienstleister, wir holen uns, was wir brauchen und irgendwann machen wir es dann selbst. Das Studio Enact macht es schon mal vor: no credits, no problems. Im HIL–Gebäude auf dem Hönggerberg fanden Kritiken von Studierenden für Studierende statt. Im Lehrcanapé experimentierten wir mit neuen räumlichen Formen der Kritik. Wir diskutierten Fragen unserer Zeit, zum Beispiel «Brutalism in the Age of Instagram» oder «Entwurf und Consulting». Wir haben eine Seminarreise organisiert auf den Spuren der heutigen Produktionsmethoden. Immer der Frage nach, was wir Architektinnen und Architekten hier überhaupt noch zu suchen haben.

Da ist es natürlich gut, dass uns die ETH auf das Berufsleben vorbereitet. Der Aufbau einer Professur, mit dem richtigen Namen auf dem Schild, ist wichtiger als der Inhalt und lehrt uns einiges. Der Schritt zum Büroalltag ist dann auch nicht zu weit. Mit gutem Gewissen können die Projekte im Namen der Professur veröffentlicht werden. Wir Studierende dürfen teilhaben, so lernt man. Architekten sind ja Dienstleister des Marktes, schlussendlich machen wir Wettbewerbe. Über die schönen Dinge können wir zum Glück in der Lehre diskutieren.

Und für neue Gedanken, neue Ideen, da lässt sich eine Professur mit etabliertem Namen finden. Beuys würde das schon richten.

* Das Studio Enact ist eine studentische Initiative im Departement Architektur der ETH Zürich. Im Herbstsemester 2018 besteht das Studio aus Lena Stolze, Noël Picco und Lukas Stadelmann.

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