«Relax, for your Body, Mind and Soul!» steht auf einem Handtuch im Entspannungsparadies für ausgelaugte Studenten. Fotos: ASVZ / Angelo Brack

HWW C 11-14

Auf dem ETH Campus Hönggerberg wird viel gearbeitet. Nun sorgen Relax-Räume für programmierte Enspannung. Und festigen damit das System der alles einnehmenden Selbstoptimierung.

«Das Leben ist so stressig» beklagen alle. «Deswegen braucht der Körper regelmässig Entspannung» schlussfolgern viele. Die Lösung für das Problem scheint selbsterklärend. Wellness, Meditation und Yoga versprechen Ausgleich zum stressigen Alltag unserer westlichen urbanen Optimierungsgesellschaft. Auch an der ETH Zürich ist dieses Phänomen gegenwärtig: Durch Konkurrenz und Prüfungsdruck gefestigte Disziplin charakterisiert den Alltag an der Schule. Und damit die zukünftigen Erfolgsmenschen nicht irgendwann erschöpft vom Stuhl kippen, erfindet die Institution «Relax-Räume».

In den Arbeitsräumen und Gängen gibt ist kein einziges Anzeichen von Müssiggang. Kontrolliert durch ein Team von grau gekleideten Mitarbeitern des Hausdienstes ist es in diesen Räumen unmöglich, etwas zu tun, dass nicht in der Kategorie «Erschliessung» oder «Arbeitsraum» vorgesehen ist. Anders als der Google-Konzern, der die Verschmelzung von Arbeit und Freizeit als ultimatives Designmittel zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeitenden auserkoren hat (Man arbeitet in Räumen, die einem suggerieren, man befinde sich im Urlaub, und nicht bei der Arbeit), hat sich die ETH Zürich für eine strikte Trennung entschieden: Entspannen kann man ausschliesslich in dafür programmierten Räumen, weit weg und unsichtbar von der Welt der Arbeit und des Studierens; Unter dem Coop-Supermarkt, im Nebentrakt des Sportcenters, oder im Erdgeschoss eines der neuen Studentenwohnheime HWW, im Raum C 11-14, genannt «Relax Hönggerberg». In diesem neu geschaffenen Entspannungsparadies können ausgelaugte Studenten heimlich und von Mitstudierenden und Lehrenden gänzlich unbemerkt Energie tanken: Zwischen Kunstblumen und penibel in Falten gelegten Vorhängen werden müde Körper dank der Form der Liege in ergonomisch korrekte S-Bögen gelegt und der Geist mit Hilfe von sphärischen Klängen über Kopfhörer beruhigt. «Relax, for your Body, Mind and Soul!» steht auf einem Handtuch geschrieben, das als hygienische Unterlage dient. Eine Beaufsichtigungsdame des ASVZ stellt sicher, dass die Entspannung nicht länger dauert als notwendig: man kann sich von ihr wecken lassen. Und im Anschluss taucht man wieder vor dem eigenen Laptop auf, als wäre nichts gewesen.

Diese Architektur einer programmierten Entspannung macht Angst. Angst vor einem alles einnehmenden Zug zur Selbstoptimierung. Und gleichzeitig liefert sie auch die Bestätigung für die Vorahnung, dass die Universität schon lange kein Ort mehr ist, der junge Menschen vor der Vereinnahmung durch die kapitalisierte Arbeitswelt schützt. Ganz im Gegenteil: Mit ihren Entspannungs-Kapseln ist die ETH als ein elementarer Bestandteil dieses Systems enttarnt. Es mag sein, dass ein 20 Minuten Nap physiologisch berechnet das Energielevel des Körpers verbessert. Aber das heisst noch lange nicht, dass wir dann auch bessere Ideen haben. Und vor allem wirft es die Frage auf: Wo sind die Orte auf dem Hönggerberg, an denen wir nichts müssen, aber vieles können?

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