Der Aufbau der Installation für die Diplomausstellung 2012 wurde am Computer geplant. Fotos: zVg

Historische Latrine in 3D

Für seinen Bachelor in Scientific Visualization an der ZHdK entwickelte Jonas Christen ein digitales Stereoskopieverfahren. Zur Umsetzung benötigte er einen Guckkasten, ein iPad und ein archäologisches Projekt.

Am Kastellweg 11 in Oberwinterthur steht heute eine Überbauung. Nichts erinnert mehr an die römischen Überreste, die die Kantonsarchäologin Vreni Jauch hier gefunden hat. Sie und ihr Team gruben von 2007 bis 2011 Spuren von einfachen Fachwerkbauten aus Holz aus, darunter eine Latrine, eine Backstube und hölzerne Abwasserkanäle.

Obwohl die Funde nicht an ein Amphitheater herankommen, erwiesen sie sich als geeignet für Jonas Christens Projekt. Er wollte den Wandel eines Ortes über eine längere Zeit darstellen. Archäologen erforschen eine Fundstelle in der Regel jedoch nicht epochenübergreifend, sondern gezielt auf eine einzelne Epoche hin. Da die Winterthurer Überreste zumeist aus Holz bestanden, konnte Vreni Jauch die Ausgrabungsschichten auf das Jahr genau datieren: Zwischen 20 und 175 n. Chr. machte sie fünf verschiedene Bauphasen des Hinterhofs aus.

Jonas Christen übersetzte die abstrakten Ausgrabungspläne in perspektivische Zeichnungen. Dazu zeichnete er die Holzbauten am Computer nach. Mittels einer interaktiven Legende kann der Betrachter durch die verschiedenen Zeiten navigieren und sich die jeweilige Bauphase ansehen. Doch der eigentliche Clou der feinen Animation ist ihre dreidimensionale Wirkung. Um diesen Effekt zu erreichen, baute Christen ein iPad in einen Guckkasten ein, der mit einer stereoskopischen Brille versehen ist. Die Brille vereinigt zwei leicht versetzte Ansichten zu einem dreidimensionalen Bild. Die Stereoskopie, 1838 erfunden, trifft in Christens Arbeit auf das neuste iPad und wird so digital. In seiner Arbeit sucht Christen die Balance zwischen Illusion und Transparenz: So wählte er einen fragilen Zeichnungsstrich für die Holzbauten, um den hypothetischen Charakter der Forschungsergebnisse hervorzuheben. Andererseits kann sich der Betrachter durch die dreidimensionale Wirkung der Zeichnung gut in die räumliche Situation einfühlen.

Jonas Christens eigene Firma «Ikonaut» steht schon in den Startlöchern. Seine digitale Stereoskopie ist bereits an der Diplomaustellung der Zürcher Hochschule der Künste aufgefallen; einige Projekte sind in Aussicht. Die transparente Täuschung findet Anklang.

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