Zukunft, ganz retro: der Nakagin Capsule Tower in Tokio, gebaut von Kisho Kurokawa Anfang der Siebzigerjahre. Fotos: Wikimedia Commons

Haus der Zukunft

Automatisierte Häuser prophezeite man immer wieder, doch trotz massiver technologischer Entwicklung blieben sie Science fiction. Gilt das auch für die aktuellen Entwicklungen?

Das Internet der Dinge beseelt und vernetzt immer mehr Haushaltgeräte vom Türschloss bis zum Rauchmelder. Vor gut einem Jahr kaufte sich sogar der Internetgigant Google in den sogenannten Smart-home-Markt ein und verschlang das 3,2 Milliarden schwere Unternehmen Nest Labs, einen aufstrebenden Hersteller intelligenter Thermostate. Glaubt man dem Produktbeschrieb, kann ein solcher lernfähiger Heizungsregler einen Fünftel der Energiekosten sparen helfen. Die Ressourcenschonung ist das schlagkräftigste Argument bei der Vermarktung intelligenter Gadgets wie mitdenkender Kühlschränke oder ferngesteuerter Steckdosen. Dabei verspricht man sich von der ‹Domotik› schon seit mehreren Jahrzehnten eine tiefgreifende Revolution unseres Alltagslebens.
In den Sechzigerjahren produzierte die avantgardistische Gruppe Archigram Entwürfe für ein neues urbanes und mobiles Leben. Befeuert vom technologischen Fortschrittsgeist der Zeit entwarfen die britischen Architekten den ‹Suitaloon›, eine Art Luftkissen-Anzug, der sämtliche Lebensnotwendigen Funktionen in einer transparenten Plastikkugel vereinte, die man am Körper herumtragen und bei Bedarf aufblasen sollte. Sogar ein Stecker um mit anderen Anzugsträgern zu kommunizieren, war an der Aussenseite vorgesehen. Das zeigt in überspitzter Form, was man sich unter einem vollständig anpassungsfähigen Zuhause vorstellte: jederzeit und allerorts verfügbar, untereinander vernetzt und unvergleichbar komfortabel. Etwa zur gleichen Zeit stellten Alison und Peter Smithson mit dem ‹House of the Future› einen wilden Katalog an elektronischen Alltagserleichterungen zur Schau und wiesen damit den Weg zur Verschmelzung von Haus und Roboter. Bis ins neue Millennium waren solche futuristischen Behausungen Attraktionen in Themenparks und Weltausstellungen. Doch entgegen aller visionären Prophezeiungen und trotz massiver technologischer Entwicklung blieben die automatisierten Häuser nur Science fiction.
Nun wagt Tesla, für die Herstellung elektrisch betriebener Sportwagen bekannt, den nächsten Schritt: In einer Zeit, da erneuerbare Energie auf jedem Hausdach gewonnen werden kann, liefert der Konzern das letzte Puzzleteil zur vollständigen Autonomie des Heims. Die ‹Powerwall› ist eine Hochleistungsbatterie, die die Garagenwände des Durchschnittsamerikaners zieren und den jeweiligen Haushalt mit Energie versorgen soll. Mit diesem Energiespeicher soll man, ganz im Sinne der Pioniere, unabhängig von Netz und überteuerten Strompreisen, leben, auch an sonnenarmen Tagen. Das erklärte Ziel von Tesla ist die weltweite Abkehr von fossilen Energieträgern und komplizierten Versorgungsstrukturen, vor allem in unterentwickelten Ländern.
Das Haus der Zukunft wird also eremitischer Selbstversorger und global vernetzter Produktionsort zugleich. Obgleich weder aufblasbar noch aus weissem Schaumstoff ist unser Zuhause Ausdruck gesellschaftlichen und technologischen Wandels und steht in der Klimadebatte wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Teslas erschwingliche Batterielösung wird unter dem populären Deckmantel der sauberen Energie verkauft, ist aber tatsächlich ein wirtschaftlicher Kunstgriff. Denn selbst bei aller Umweltfrömmigkeit sind ökonomische Gründe bedeutsamer als ökologische.

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