Einer der Bachelor der Architekturwerkstatt nahm für seine Abschlussarbeit Bezug zu einem benachbarten Brutalismusbau beim historischen St.Galler Karlstor. ©Anel Malcinovic

Die ersten Bachelor der Architekturwerkstatt

Die ersten Bachelor der St. Galler Architekturwerkstatt haben dieser Tage ihre Diplome entgegennehmen können. Die Thesis-Arbeiten setzen sich mit der Stadt oder dem Dorf auseinander.

Der langwierige politische Kampf um die Wiedereinführung der Architekturausbildung an der Fachhochschule in St.Gallen hat sich gelohnt. Dieser Tage konnten die ersten 13 Bachelor, die das Vollzeitstudium absolvierten, ihre Diplome entgegennehmen. Und das Interesse am Ausbildungsgang nimmt weiter zu. Zuletzt waren es in den drei Jahrgängen 99 Studierende. Fürs kommende Semester haben sich 38 Frauen und Männer angemeldet – wieder mehr als erwartet.

Ein Vorschlag für ein neues gemischt genutztes Quartierzentrum für das St.Galler Quartier Bruggen. ©Lukas Meier

Das Interesse liegt nicht zuletzt am Werkstattcharakter der St.Galler Ausbildung und ihrem ambitionierten Programm. Für Anna Jessen, Leiterin der Architekturwerkstatt und Architektin, bedeutet dies: «Viel Handarbeit, vieles analog erarbeiten und den Computer als eigentliches Werkzeug einsetzen.» Weil ein solcher Unterricht vom direkten Diskurs lebt, war der Lockdown ein markanter Einschnitt. Er schränkte insbesondere die nun diplomierten Absolventinnen und Absolventen in der Endphase ihres Studiums stark ein. Die Architekturwwerkstatt hat zwar umgehend reagiert und die Vorlesungen digitalisiert, der Werkstattcharakter dürfe aber nicht verloren gehen, so Anna Jessen. Wichtig ist ihr der Teamgeist unter den Studierenden und zwischen Lehrkörper und Studierenden. Den könne man dank der im Vergleich kleineren Schule umsetzen, weil in der gemeinsamen analogen Arbeit die zufällige Begegnung den Alltag prägt und nicht die digital geplante.

Aus den Hallen eines ehemaligen Industrieareals in Bischofszell TG könnte Wohnraum werden. ©Robert Rüttimann

Der erste Jahrgang der Studierenden hatte gleich zu Beginn den Schulstandort, die Stadt St.Gallen, erkundet und unter anderem akribisch die Unterschiede der einzelnen Quartiere analysiert. Das Resultat hiess «Balthasar» und war die Vorbereitung für fünf freie Thesis-Arbeiten. In der Analyse der langgezogenen, von zwei Hügelzügen begrenzten Stadt, schufen die Studierenden die Analogie zum Kinderlied über den «Tausendfüssler Balthasar» von Dieter Wiesmann. Die vielen Füsse sind dabei Symbol für die Querachsen in der Stadt. Aus dieser Gruppenarbeit entstanden in Abschlussarbeiten Vorschläge für fünf Orte, die man als Quartierschwerpunkte stärken könnte und die eher unbeachtete Baulücken schliessen würden. Die Studierenden waren dabei stilistisch frei. Denn Studienleiterin Anna Jessen ist es wichtig, dass Schulprojekte Phantasie und Wagemut zeigen. Im Studium müssten nicht realisierbare und auf allen Seiten abgeschliffene Projekte entstehen. «In der Werkstatt dürfen Ideen präsentiert werden, die man später im Berufsleben so kaum realisieren kann.»

Einer der Bachelor der Architekturwerkstatt nahm für seine Abschlussarbeit Bezug zu einem benachbarten Brutalismusbau beim historischen St.Galler Karlstor. ©Anel Malcinovic

Der erste Bachelorjahrgang der Architekturwerkstatt befasste sich nicht nur mit Wohnungsbau in der Stadt St.Gallen und in Rorschach. Auch die Umnutzung von Industriearealen in Altstätten und Bischofszell, eine Quartierreparatur in Flawil, ein Holzhochhaus in Appenzell sowie eine Studie zur Stadtreparatur in Warschau finden sich unter den Abschlussarbeiten.

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