Darstellen und Debattieren

ETH-Architekten haben gelernt, ihre Entwürfe perfekt darzustellen. Die Diskussion, der Austausch steht nicht auf dem Lehrplan.

Im ETH Hauptgebäude ist noch bis am 15. Januar die Diplomausstellung zu sehen. Die angehenden Architektinnen und Architekten brillieren mit ihren Darstellungen, die man klar den betreuenden Professorinnen und Professoren zuordnen kann: bei Annette Spiro, Christian Kerez, Markus Peter und Peter Märkli sieht man vermehrt Handzeichnungen, polierter Modellfotos bedienen sich mittlerweile nicht nur die Studios von Caruso und Christ Gantenbein. Die perfekten Renderings bei Miroslav Sik bilden nachwievor einen Blickfang in der Ausstellung.
Der Brite Tony Fretton, vor einiger Zeit Gastprofessor an der ETH und seit 1999 Professor an der TU Delft, lobte bei seiner dortigen Abschiedsvorlesung, die Bilder der ETH-Studenten, vermisste hier aber  die Beschäftigung mit gesellschaftlich relevanten Fragen und ein breiteres Verständnis vom Menschen. Ähnliches bemerkte Luigi Snozzi bei seinem Departementsvortrag im Mai 2008 mit dem Titel «Es lebe der Widerstand». Der Zweck des Architekturunterrichts sei nicht, hervorragende Architekten auszubilden, sondern «kritische Intellektuelle mit moralischem Bewusstsein hervorzubringen».
Der Solothurner Architekt Franz Füeg erzählte uns im letzten November in einem Interview für das trans Magazin, von den Diskussionen in Amsterdamer Stedelijk Museum während des Kriegs: «Die haben diskutiert, über die Gott und die Welt, über Architektur und die Gesellschaft und die Wirkung der Architektur auf die Menschen.» Die Meinungen waren unterschiedlich, es habe harte Konfrontation gegeben, doch den Menschen habe man immer berücksichtigt. «Man hat sich attackiert aber nicht die Person, immer nur die Sache. Das ist das Unterschied zur Schweiz. Die Diskussion findet kaum statt, und wenn schon dann wird sie persönlich. Das ist so meine Erfahrung.»
Sprechen, Ideen mündlich austauschen, ist chaotisch. Öfters redet man, möchte überzeugen, wirft viele Argumente in einem Schwung auf dem Tisch, stoppt und zweifelt vielleicht einen Moment lang. Beim Überlegen stottert man, wiederholt sich, verwechselt ein Wort mit einem anderen. Gesichtsausdruck und Körpersprache helfen, die Aussage zu verstehen und sich anzueignen. Spontan. So funktioniert der Mensch, erlebt und begegnet. Schweizer mögen es, kurz und treffend zu sein und sich nicht ausserhalb einer unausgesprochenen Ordnung zu bewegen. Risiko minima. Wir sprechen nicht mit dem Bauingenieur, der im gleichen Gebäude studiert, obwohl wir später jeden Tag zusammenarbeiten. Aber publikationsfähig sind wir. Training dazu haben wir, semesterlang. 

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Kommentare

Ruth Hanna Stahel 27.12.2013 21:56
Kompliment an Stéphanie Savio für die Darstellung der Situation. Wünschen würde man sich auch eine gleichwertige Behandlung von Innenraum und Aussenraum, eine Auseinandersetzung über die Art, wie Menschen sich ihre Umgebung aneignen könnten. Der Mensch braucht nicht nur einen Ort für seine sieben Sachen, für seine Familie, zum Schlafen, Essen, usw.. Die Beziehung zu Himmel und Erde und das Draussensein in Natur und Landschaft ist ein elementares Bedürfnis. Ein weiteres Thema ist der ökologische Ausgleich für alles Gebaute in Form von Laubbäumen. Schöne Laubbäume wirken sich positiv auf die Wohnlichkeit, die Luftqualität, die Artenvielfalt und die Ästhetik unserer Lebensräume aus. Laubwolken kühlen auch die von der Sonne erhitzten Mauern und Plätze und ergeben in der heissen Jahreszeit ein angenehmes Klima.
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