Die Wortsteine

Da gewesen sein

Für ihre Semesterarbeit in ‹Kunst & Vermittlung› transkribierte Anouk Koch Gespräche aus der Drogenszene. Auf Stein gedruckt reisen die Sprachfetzen zurück an die Zürcher Langstrasse.

Im Modul ‹Wenn ohne Aber› nutzten wir zufällige Kombinationen von Wörtern als Ausgangslage für eine künstlerische Arbeit. Dazu verwendeten wir ein Wortgenerator und einen Thermoetikettendrucker. Dieser spuckte alle paar Minuten ein kassenbonähnlicher Papierstreifen aus. ‹Drogen ohne Glück› stand auf meinem Zettel. Wie können Drogen zu einem Zustand ohne Glück führen und wo passiert sowas, fragte ich mich. Auf der Suche nach einer alltäglichen Situation, in der Drogen das Leben zu dominieren scheinen, habe ich mich an die Zürcher Langstrasse begeben. An der Bushaltestelle Militär-/Langstrasse beobachtete ich eine Gruppe von Leuten, die sich über den Drogenkonsum unterhielten und dealten. Wie zufällig stellte ich mich daneben und nahm das Gespräch auf. Als mich einer der Gruppe nach einer Weile darauf ansprach, ob ich von der Stadtpolizei sei oder was ich denn hier so lange rumstehe, löste sich das unbeobachtete Zuhören auf.

Die Schablonen.


Ein sensibler Umgang mit dem Material war mir daher wichtig. Ich erstellte eine Transkription der Aufnahme. Die Personen schienen von ihren eigenen Gedanken und aktuellen Anliegen absorbiert zu sein. Konversationen liefen parallel, es wurde mehr gesprochen als zugehört. Gegenseitige Forderungen und Wortwiederholungen prägten die Unterhaltungen. Interessiert hat mich das Nebeneinander der Personen und ihrer Gespräche. Durch Reduktion auf der Textebene habe ich einen Beschrieb der Szenerie erhalten. Entstanden sind 178 Textfragmente, 35 davon habe ich durch Schablonen auf Pflastersteine gedruckt. Die Steine gliedern sich in die Szenerie der Langstrasse ein. Sie wirken distanziert, schaffen aber inhaltlich eine überraschende Nähe zu ihrem Ursprungsort.

Bereit für die Reise zurück an die Langstrasse.

Die Wortsteine liegen jetzt im Atelier an der HSLU auf einem Handwagen bereit und warten auf den Transport an die Zürcher Langstrasse. Dort treten sie als Satzfetzen in einen Dialog mit den Passantinnen und Passanten. Womöglich stören sich die Menschen an den Stolpersteinen oder an Inhalten wie ‹Italiener hassen› oder ‹Mongo sein›. Die Steine werden verschoben oder weggebracht, sie gehen ihren eigenen Weg.

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