Arbeitsplatz? Schlafplatz? Abkürzung? Ein Raumteil des ETH-Architekturgebäudes HIL auf dem Zürcher Hönggerberg.

Bunt, schmutzig, optimistisch

Kaum sind Schlussabgabe und Kritiken vorüber, breitet sich in der Architekturschule die Leere der Semesterferien aus. Einige Randbemerkungen aus dem Zwischensemester.

Kaum sind Schlussabgabewochen und Semesterendkritiken vorüber, Stellwände und Modelle abgebaut und entsorgt, breitet sich die Leere der Semesterferien im Architekturlehrgebäude HIL aus: Eine Art temporäre Totenstarre, ein Vakuum das jegliche Farbigkeit und Lebendigkeit aus dem Gebäude saugt und unbehagliche Stille hinterlässt. Erst jetzt zeigt sich die Architektur der Schule im abstrakten Zustand des Ungebrauchten: weitläufig, verzweigt, verstrickt. Ein Bauwerk, in den frühen Sechzigerjahren von Max Ziegler ursprünglich für den geplanten ETH-Standort Dübendorf für das Chemiedepartement des Polytechnikums entworfen, etliche Jahre später aber in beinahe unveränderter Form am Hönggerberg gebaut. Ein Bauwerk, das erst nach abgeschlossener Bauphase sein neues, jetziges Programm erhielt und folglich zuerst umgebaut werden musste, notdürftig angepasst an die veränderten Anforderungen. So erklärt sich das Fehlen von Öffentlichkeit, die andere Architekturschulen auszeichnet, ebenso wie die Absenz geeigneter Ausstellungsräume, welche momentan fast ausschliesslich aus Erschliessungsflächen bestehen. Der allumfassende und modulare Systemgedanke, der dem Haus zu Grunde liegt, suggeriert eine Anpassungsfähigkeit und Dynamik, die sich letztlich als Wunschdenken entpuppt. An realer Veränderung ist nicht zu denken, die Lehrstühle sind mittlerweile in mehreren Gebäuden in der ganzen Stadt verteilt.
Wie schon von verschiedenen Seiten treffend bemerkt wurde, ist das Architekturgebäude für Eingeweihte ein kleines Paradies, für Aussenstehende der blanke Horror. Die auffällige Selbstähnlichkeit und die unüberschaubare Wegführung nehmen Externen innert kürzester Zeit die Orientierung. Jeder Raum ist austauschbar, seine Position im Gebäude ist ebenso irrelevant wie unbestimmt, die Treppen verbinden scheinbar beliebig aufeinander gestapelte Geschosse.
Für uns Studenten die tagtäglich ein- und ausgehen offenbart das Gebäude unverhoffte Vorteile. Wir kennen die Abkürzungen, die versteckten Treppen, unbewachte Ecken und geeignete Schlafplätze mit den weichsten Teppichen. So haben wir das Gebäude eingenommen, angeeignet und interpretiert, die unbequemsten Orte und abgelegensten Zwischenräume zumindest temporär nutzbar gemacht. Bunt, schmutzig, optimistisch. Semesterendpartys im Zeichensaal und Grilladen auf der Dachterrasse sind Zeichen eines lebendigen Organismus, der sich sein räumliches Manko zu Nutze macht und einen Umgang mit seinem im Grunde zweckentfremdeten Umfeld gefunden hat. 

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