«Wie stimmen Aussenansicht und Innenaraum zusammen?» Fotos: nchenga via flickr.com

Architekten vs. Innenarchitekten

«Wieso studierst du denn nicht Architektur?» wird die Innenarchitekturstudentin Anina Livia Bigler immer wieder gefragt. In ihrem Campus-Beitrag plädiert sie für ein Ende der Konkurrenz.


«Wieso studierst du denn nicht Architektur, ist doch viel sinnvoller als so Dekozeugs?» oder «Was Innenarchitekten machen, dass könntest du als Architektin doch sowieso auch». Mit solchen Aussagen werden wir Studierenden der Innenarchitektur oft konfrontiert. Auch während des Praktikums wurde versucht auf mich einzuwirken. Ein Innenarchitekturstudium sei doch lächerlich und studiert werden müsse das sowieso nicht. Doch nein, ein Architekturstudium kam für mich nie in Frage.

Viele glauben heute noch, dass unsere Tätigkeiten auch von einem Architekten abgedeckt werden können. Ich widerspreche dem. Drei Jahre lang werden wir auf verschiedene Weisen auf das Zusammenspiel zwischen Struktur, Oberflächen, Farben und Licht geschult. Dabei eignen wir uns Wissen an, über das Architekten nach dem Studium gar nicht verfügen können. Klar gibt es Überschneidungen, auch wir werden zum Beispiel in Statik unterrichtet. Doch verfügen wir nicht über das städtebauliche Wissen der Architekten. Im Gegensatz dazu lernen sie wenig bis nichts über Licht, Akustik und Farbe.

Bei einer Präsentation eines renommierten Architekturbüros habe ich neulich ein Projekt gesehen, bei dem die Fassade der zentrale Punkt des Entwurfs war und durch unzählige, quadratische Öffnungen in die Umgebung integriert wurde. Erst in einem zweiten Schritt wurde der Innenbereich gestaltet. Herausgekommen ist ein Bau, welcher zwar aussen optisch eine gute Qualität aufweist, aber im Innenraum nicht überzeugt, da dieser den Fensteröffnungen angepasst wurde und nicht den Nutzungen. Genau so entsteht der Ausdruck, welchen ich häufig höre: «Ah, da hat sich wieder einmal ein Architekt ein Denkmal gesetzt.» Dies weil Menschen, vor allem Laien, die Qualität eines Bauwerkes vor allem über die eigene Erfahrung erleben. Hat dann ein an die Fassade angrenzender Raum beispielsweise kein Fenster, weil ein solches nach aussen hin nicht in das Fassadenbild passt, entsteht Unzufriedenheit. Und dann spielt die schöne Aussenhülle eine sekundäre Rolle. Hier setzt unser Studiengebiet an, viel näher am Menschen und dessen Handlung. Ein Handlauf soll nicht nur die Sicherheitsrichtlinie erfüllen und schön sein, sondern auch ergonomisch überzeugen, ansonsten erfüllt er seinen Zweck nicht. Das bedeutet nicht, dass der Architekt nicht auf solche Problemstellungen Rücksicht nimmt, aber meist fehlt die Zeit und die Aufmerksamkeit auf solche Details zu achten. Viel eher sollte die Arbeit des Architekten und des Innenarchitekten Hand in Hand gehen, damit ein Gebäude von aussen wie von innen überzeugt – im grossen Massstab wie im kleinen. Nur dann erhalten wir gute Architektur.

Der Architekt hat, so glaube ich, heute – vor allem bei Umbauten – eher die Funktion des Koordinators: Er muss den Überblick bei einer Baustelle behalten und die Tätigkeiten der verschiedenen Spezialisten aufeinander abstimmen. Dies bedeutet nicht, dass es den Architekten nicht mehr benötigt. Auch sollte das Vorurteil überholt werden, dass Innenarchitekten nur dekorieren. Viel eher bin ich der Meinung, dass die Konkurrenz zwischen Architekten und Innenarchitekten endlich aufhören soll. Die Energie sollte besser in die Zusammenarbeit gesteckt werden, so dass jeder auf seinem Gebiet mit seiner Kompetenz seine Aufgaben ausführen kann. Nur so können gute, nachhaltige Projekte realisiert werden, welche allen einen Mehrwert bringen.

* Anina Livia Bigler studiert teilzeit im 5. Semester Innenarchitektur an der Hochschule Luzern.

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Kommentare

Urs Honegger, Redaktion Hochparterre 03.11.2015 09:24
Danke für den Hinweis. Der Fehler ist korrigiert.
Portmann Ronny 03.11.2015 08:47
"Wir" Ausverkauf in der zweiten Spalte. S hed solangs hed...
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