Modellbild aus dem Entwurfssemester

Architektur ist Konstruktion und Reflexion

Silas Meister studiert berufsbegleitend Architektur an der ArchitekturWerkstatt in St.Gallen. Im Campus erzählt er, wie er Theorie und Praxis unter einen Hut bekommt.

Wer Architektur studiert, lernt schnell: Es geht nicht nur um schöne Fassaden oder kühne Entwürfe, sondern um das ständige Austarieren zwischen Ideen und Realitäten. Als ich vor zweieinhalb Jahren mein berufsbegleitendes Studium an der Architekturwerkstatt St. Gallen begann, war ich voller Hoffnung, das Gelernte sofort in meinem Berufsalltag anwenden zu können. Heute, im fünften Semester, weiss ich: Der Spagat zwischen Theorie und Praxis ist anspruchsvoll – aber auch sehr bereichernd.


Modellbild aus dem Entwurfssemester

Montags, dienstags und freitags arbeite ich im Architekturbüro, mittwochs, donnerstags und samstags besuche ich Vorlesungen in St.Gallen und arbeite selbstständig an den Semesteraufgaben. Dieser Perspektivenwechsel ist fordernd, denn während ich im Büro mit konkreten Bauprojekten in unterschiedlichen Phasen – vom Vorprojekt bis zur Bauleitung – beschäftigt bin, wird uns im Studium viel theoretisches Wissen vermittelt. Im vergangen Entwurfssemester haben wir uns mit dem Wohnungsbau beschäftigt. Es ging um städtebauliche Typologien und Anordnungen; Entwurfsstrategien und auch soziale Aspekte im Bezug auf das Wohnen wurden beleuchtet. Dazu kamen die Begleitmodule Tragwerk, Bauphysik, Haustechnik und Bauökonomie, die das Verständnis für das komplexe Zusammenspiel aller Disziplinen im Bauwesen vertiefen. An manchen Tagen fühlte es sich an, als würde ich gleichzeitig in zwei Welten leben: hier praxisnah und pragmatisch, dort hypothetisch und experimentell.

Das Entwurfssemester hat mir besonders deutlich gemacht, wie tief Theorie und Praxis miteinander verflochten sind. Wir starteten mit freien Entwürfen, inspiriert von architektonischen Meisterwerken, ohne konkrete Vorgaben oder Einschränkungen. Für mich war das ein Kulturschock – ich dachte automatisch an Brandschutz, Barrierefreiheit und alle Normen, die im Berufsalltag omnipräsent sind. Doch genau das ist es, was dieses Studium so wertvoll macht: Die Freiheit, Neues zu denken, ohne sofort auf den nächsten Vorschriftenparagrafen zu stossen, aber auch die Herausforderung, das Erlernte kritisch in den Arbeitsalltag zu integrieren.


Modellbild aus dem Entwurfssemester

Nun, am Ende des Semesters, ziehe ich Bilanz: Trotz aller Herausforderungen sehe ich vor allem Chancen. Die Fähigkeit, flexibel zwischen theoretischen Versuchsanordnungen und tatsächlicher Praxis zu wechseln, ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Architektinnen und Architekten. Auch wenn ich manchmal zu viel hinterfragt habe, hat es mir geholfen, mich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Architektur ist eben nicht nur Konstruktion, sondern auch Reflexion. Ich freue mich darauf, diesen Perspektivenwechsel in den kommenden Semestern weiter zu meistern – für mich, für mein Büro und für die Architektur.


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