Das Kartenset mit 50 Anekdoten aus der Kunstwelt zum Rätseln und Debattieren

Anekdotisch gefragt

Lena Stockmeyer untersucht in ihrem Master an der HGK Basel FHNW, wie Anekdoten bei der Vermittlung von Kunst eingesetzt werden können und hat dazu ein passendes Kartenspiel entwickelt.

Ich stehe als vermittelnde Person vor einem Kunstwerk. Was soll ich erzählen? Oder anders gefragt: Was würde Sie interessieren? Wie wäre es mit einer Anekdote zum Einstieg? Von Biografien bis zu Klatschgeschichten – rund um kreative Persönlichkeiten und ihre Werke gibt es einiges zu berichten.

Anekdoten zum Einstieg
Da wäre der Künstler, der sich mit seinen Zeichenkünsten aus der Gefangenschaft befreite, während ein anderer seine Restaurantrechnung damit beglich. Die eine Künstlerin malte am liebsten nackt, der andere Maler ass Farben direkt aus der Tube. Werke wurden gefälscht, gestohlen, mit Kaugummi «verschönert» oder versehentlich von der Abrissbirne zerstört.


Fragen an die Kunst: Ausschnitt der Fragesammlung, geordnet nach Themen und Begriffen

Spielanleitung zum Rätsel- und Fragespiel

Vielseitig, originell und nicht selten verrückt – so eignen sich Anekdoten als lockerer Einstieg und willkommene Abwechslung beim Vorstellen von Werken und Künstler:innen. In diesem Sinn habe ich meine Master-Thesis, die am Institute Arts and Design Education (IADE) an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW entstanden ist, der Untersuchung von Anekdoten als Medium der Kunstvermittlung gewidmet und werfe ich in meiner Arbeit grundlegende Fragen der kunstpädagogischen Arbeit auf.  

Was? – Die Anekdote als Vermittlungsmedium
Meine Arbeit diskutiert, inwiefern sich Anekdoten für Vermittlungszwecke eignen. Geschichten können Inhalte mit wenigen Worten veranschaulichen. Sie helfen Informationen aufzunehmen und zu speichern und eignen sich so besonders zur Vermittlung komplexer Themen, wie sie in der Kunst behandelt werden. Zugleich stehen Anekdoten in der Kunstvermittlung in der Kritik, weil sie als halbwahre Geschichten den Blick auf Werk und Künstler:in verfälschen und vom eigentlichen Gegenstand der Kunst ablenken können.

Wozu? – Ein fragender Vermittlungsansatz
Um diese Kritik an Anekdoten zu relativieren, ist entscheidend, wozu sie erzählt werden. Eine Vermittlung, die danach strebt, Fakten zu schaffen, wäre hinsichtlich des nicht verifizierbaren Inhalts von Anekdoten problematisch. In meiner Arbeit verfolge ich daher einen Vermittlungsansatz, der Erzähltes als Frage versteht, die weiterführende Diskussionen und eigene Gedanken fördert. Fragen statt Antworten – diese Strategie ergibt in der Kunstvermittlung generell Sinn, denn vorgegebene «Wahrheiten» können kreative Prozesse blockieren. Stattdessen macht es Sinn, offene Fragen zu stellen, die Raum für das Individuelle, Vielschichtige und Wandelbare der Kunst schaffen.

Wie? – Anekdotisch gefragt
Um über Anekdoten einen fragenden Zugang zur Kunst zu ermöglichen, habe ich den Vermittlungsansatz «Anekdotisch gefragt» definiert. Demnach wird die Anekdote nicht als abgeschlossene Wahrheit verstanden, sondern als Position, die hinterfragt werden darf und soll. In meiner Arbeit zeige ich auf, dass Anekdoten durch ihren eröffnenden Aufbau, die freie Formbarkeit und die bewusst aussparende Kürze einen fragenden Modus im Sinne eines Rätselns, Diskutierens und Weiterfragens begünstigen.


 

Beispielkarte mit Ja-Nein-Rätsel (Vorderseite) und offenen Frage an die Kunst zur jeweiligen Anekdote (Rückseite)

Vermittlungskonzepte zu erarbeiten und zu reflektieren, war Teil meines Studiums, genauso wie deren praktische Umsetzung in künstlerischen und vermittelnden Projekten. So entwickelte ich im Rahmen meiner Master-Thesis ein Kartenspiel, bei dem Anekdoten aus der Kunstwelt spielerisch-fragend erraten und somit weiterführende Gespräche eröffnet werden.  Dabei wir das Erzählte mit allgemeinen Fragen zur Kunst verknüpft, zum Beispiel: Was bestimmt den Wert von Kunst? Kann Kunst falsch sein? Woran misst sich gute Kunst? Wozu ist Kunst gut? Was wäre das Leben ohne Kunst?

Fragen zum Schluss
Auf diese Weise hat mich die theoretische Untersuchung von Anekdoten zur Entwicklung eines fragenden Vermittlungskonzepts geführt, das ich in einem Kartenspiel realisierte. Die Fragen nach dem Was, Wozu und Wie des vermittlungspraktischen Handelns konnte ich damit nicht allgemeingültig beantworten. Vielmehr zeigt die auf ein konkretes Medium ausgerichtete Untersuchung, dass der differenzierte Blick auf die jeweilige Vermittlungssituation entscheidend ist: Nicht jedes Medium findet in jeder Situation den passenden Einsatz. So schloss ich meine Arbeit über anekdotisches Fragen damit, dass die Vermittlungsarbeit – ähnlich wie die Kunst – offene Fragen bildet, die sich individuell und situationsspezifisch wandeln. Daher freue ich mich auf künftige Vermittlungssituationen, die diesen Fragen immer wieder neue Dimensionen verleihen und den Beruf des Kunstvermittelns für mich so spannend machen.


Ansicht der Thesenpräsentation: 50 Rahmengeschichten hängen als «Frage in der Luft»


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